zahl der woche: Japan will das Nullwachstum mit Nullzinspolitik überwinden
Was nichts kostet, kann doch was wert sein
Die runde Null, erstmals von griechischen Mathematikern im zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung erwähnt, beschäftigt Japan seit dieser Woche wieder. Irgendwie ist das Land an einem Nullpunkt mit Nullwachstum, und darum hat die Zentralbank de facto wieder den Nullzins eingeführt.
Wie? Keine Zinsen für ausgeliehenes Geld! Das ist ja paradiesisch, denkt der Schuldner. Und der Gläubiger, was hält der von Kreditausleihungen zum Nulltarif? In Japan ist der Gläubiger vorerst die Notenbank (BoJ).
Die BoJ hat diese Woche entschieden, den einheimischen Banken de facto zinslose Darlehen zu gewähren. Das soll ihnen helfen, Darlehen abzuschreiben, auf die insolvente Schuldner schon seit Jahren keine Zinsen mehr bezahlen. Eigentlich vernünftig, nicht? Doch die Gretchenfrage ist, wann eine Notenbank den einheimischen Finanzinstituten mit gutem Gewissen ein solches Geschenk machen darf. Schließlich sagt der Volksmund: Was nichts kostet, ist nichts wert.
Die japanische Notenbank blickte diesmal auf die allgemeine Preisentwicklung im Lande und musste feststellen, dass die negativ ist. Zwischen 1997 und Ende 2000 sind die Großhandelspreise um satte sechs Prozent gefallen. Die Verbraucherpreise sanken allein im vergangenen Jahr um 1,1 Prozent. Dazu gesellte sich eine Börsenbaisse – sinkende Aktienpreise – und natürlich die seit zehn Jahren anhaltende Flaute im Immobilienmarkt. Heute ist ein Stück Bauland in Tokio rund 80 Prozent günstiger als vor zehn Jahren. Ein solcher Preisverfall kann gutartig sein, weil mehr Wettbewerb die Preise drückt. Wird der Preissturz bösartig, gehen Ökonomen von einer Deflation aus. Die japanische Regierung hat nur Tage vor der Wiedereinführung der Nullzinspolitik den stetigen Verfall der Verbraucherpreise als Deflation bezeichnet.
In einer solchen Situation sind drastische Maßnahmen notwendig. Selbst wer sein Geld unter dem Kopfkissen aufbewahrt, weiß, dass es am nächsten Tage schon mehr wert ist. Ökonomen gehen davon aus, dass japanische Sparer, die in der Postsparkasse derzeit 0,15 Prozent Zinsen auf ihre Einlagen erhalten, real jährlich etwa zwei, wenn nicht drei Prozent dazugewinnen. Das entspricht europäischem Niveau.
Vor diesem Hintergrund macht die Nullzinspolitik der japanischen Notenbank Sinn. Die BoJ will die drastische Maßnahme erst dann rückgängig machen, wenn die Verbraucherpreise wieder zu steigen beginnen. Das könnte noch zwei Jahre dauern, wenn das Land nicht rasch tief greifende Reformen anpackt. ANDRE KUNZ
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