: Lizenz zum Übertünchen
■ Endlich stellen die KünstlerInnen vom Güterbahnhof mal sich selbst aus, aber nur kurz
„Korrespondenzen“ heißt die Ausstellung in der Galerie Herold. Und siehe da, was in den 60-ern immer mal wieder versucht wurde, und dann zielsicher scheiterte, klappt im Zeitalter des Stilpluralismus primissima: 2 KünstlerInnen bemalen 1 Leinwand, wie damals im Münchner „Kollektiv Herzogstraße“. Und es ist ein Zeichen geistiger Größe, dass ein paar eher monochrome bzw. tachistische MalerInnen ihre Bilder umdefinieren lassen zum bloßen Hintergrund. Darauf tummeln sich nun ins surreale gewendete Kinderbuchfiguren und Marsgewächse. Und aus den drastisch-bunten Lackstreifen von Nicholas Bodde, die mit dem Lineal gezogenen sind, macht Tobias Küch eine Art beschlagene Milchglasscheibe. Er übertüncht gnadenlos. Offenheit; das andere gleichberechtigt neben dem eigenen gelten lassen: Die ganze Ausstellung dokumentiert diese schöne Grundhaltung.
Die Art der Korrespondenz ist äußerst unterschiedlich. Einmal wird der Begriff wörtlich genommen: Da werden die Briefe halbwüchsiger Mädchen mit ihren Freuden und Nöten collagiert. Ein anderes Künstlerpaar zeigt zwei verschiedene Varianten fotorealistischer Malerei: Mal fährt ein Auto durch die Waldeinsamkeit und die merkwürdigen Turbulenzen in den Blättern könnten durchaus Vorzeichen eines Unglücks sein. Das Parallelbild verpflanzt eine Ampel in eine monochrome Wüste, wo sie plötzlich einen neuen, würdigeren, halbabstrakten Charakter bekommt. Überaus lustig ist ein Wachsklotz mit einem Bügeleisen drauf, und Beuysskeptiker können die Bedrohung des Wachs durchaus als Attacke auf ein überkodiertes Zeichen sehen. Dazu gesellt sich passend zum Bügeleisen eine Mösen-Kissen-Installation nach Hausfrauenart, krass, lustig, zum Draufausruhen. Mette Joensen findet offenbar ihre KollegInnen nicht korrespondenzwürdig. Sie (oder er) tut es nicht unter Edward Hopper und füllt dessen unterschwellig fröstelndes Landschaftsszenario mit flatterhaften Figuren – toll.
Endlos könnte diese Aufzählung hier weitergehen. Es gibt offensichtlich doch noch junge Kunst, welche die normale Galerie-Ware toppt. Und versiffte Orte sind offenbar immer noch hilfreich dabei, sie auszubrüten. Denn nicht zum ersten Mal hängen hier über dem giftbeigen Sperrholzboden Dinge, zu denen als Attribut noch immer am besten passt: „von besonderer Art“. Ach ja, aber jetzt doch noch zwei: Pathetische Natur-Haikus, die durch nüchterne botanische Abbildungen geerdet werden und der (zufällig) fotografierte Kurzkrimi im Wald von Cordula Schmidt versus mordfreies Laub. bk
!!!Nur bis 30. März, 15-18h
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen