Eine richtige Ballerei

Der Hafengeburtstag lockt sein Publikum auch dieses Jahr wieder mit gewohnter Attraktivität  ■ Von Nikolai Wehrs

„Das Wetter ist beim Hafengeburtstag immer so wie bei der Vorstellung, nur wärmer“, meint Chris-toph Schumann. Das sind gute Aussichten. Denn während im achten Stock des Hotels Hafen Hamburg die Messe und Congress GmbH das Programm für den 812. Hafengeburtstag vorstellt, strahlt draußen die Sonne über der Elbe. Und Schumann strahlt mit.

Wohl im Glauben, er könne das alljährliche Ritual der Programmvorstellung zu einem journalistischen Knüller hochreden, legt der Moderator der Pressekonferenz los wie ein Schausteller auf dem nahegelegenen Frühjahrs-Dom, kündigt „ordentlichen Klamauk“ an, verspricht „eine richtige Ballerei auf dem Fluß“ und versteigt sich schließlich zu dem Vergleich, ein Hafen ohne Schiffe, das sei ja „wie Kiez ohne Erotik“. Die Reporter haben sich indes schon über die Canapées hergemacht und verzichteten auf Zusatzfragen. Es hatte wohl auch keiner ernsthaft erwartet, der diesjährige Hafengeburtstag würde wirklich Neues bieten. Und so reduziert sich die eigenliche Meldung darauf, daß die traditionelle Einlaufparade am Freitag, dem 11. Mai, diesmal auf den späten Nachmittag gelegt wurde, damit, wie Schumann erklärt, „Papa da auch hin kann“. Wesentlicher Grund für die Verschiebung ist allerdings, laut Hafenkapitän Jörg Pollmann, schlicht die Tide.

Pollmann hat die undankbare Aufgabe, zwischen dem 11. und 13. Mai das Wasserprogramm zu koordinieren. Da erwartet ihn einiges, denn natürlich ist das Aufgebot an Schiffen auch dieses Jahr spektakulär und sorgt bei Liebhabern schon im März für erhöhte Pulsfrequenzen. Mit den Windjammern „Sedov“, „Mir“ und „Kruzenshtern“ werden zur Einlaufparade drei weltbekannte Großsegler erwartet. Auch der historische Dampfeisbrecher „Wal“ soll mit in den Hafen einlaufen, ebenso der Dreimastschoner „Mare Frisium“ und der Gaffelschoner „Sunthorice“.

Begleitet werden die Stars von Marine-Fregatten, anderen Museumsschiffen, Segelyachten und Feuerlöschbooten. Alle zusammen werden sie dann an den Landungsbrücken ihre Sirenen ertönen lassen. „Es wird wieder getutet im Hafen“, freut sich da Schumann. Neu in Dienst gestellt wird während des Festes der niederländische Segelschiff-Neubau „Artemis“. Ein his-torischer Nachbau einer Hanse-Kogge ist dagegen die „Ubena von Bremen“. Und natürlich gibt es auch dieses Jahr wieder das traditionelle Schlepperballett. Am Baumwall liefern sich zwölf Drachenboote ein Rennen. Brandneu im Programm ist eine Piratenschlacht auf der Elbe: Das nennt Schumann „Ballerei“.

Von Pollmann verlangt das eine logistische Meisterleistung. Schließlich, darauf weist der Hafenkapitän hin, ist der Hafen kein Binnensee „sondern eine Bundeswasserstraße. Der Durchgangsverkehr muß die ganze Zeit passieren können. Die internationalen Reeder scheren sich nicht um unser Hafenfest.“ Das ist erstaunlich, mag aber damit zusammenhängen, dass es Barbarossas berühmten Freibrief von 1189 ja in Wahrheit nie gegeben hat. Dass der Hafen eigentlich viel älter ist als popelige 812 Jahre, weiß jedes Hamburger Kind. Die Wirtschaftsbehörde wird im Jahr des Tourismus dennoch 20.000 Plakate drucken, um das Ereignis „bis zur Rhein-Main-Linie“ bekannt zu machen.

Südlicher geht es wohl nur deshalb nicht, damit in der Schweiz nicht publik wird, dass die „Sedov“ nach Hamburg kommt. Als die russische Viermastbark letztes Jahr in Brest festmachte, sorgte die Schweizer Firma NOGA für eine zweiwöchige Zwangspause, um rund 65 Millionen Dollar Schulden vom russischen Staat einzutreiben. Vorsorglich wurde das Segelschulschiff nun an die Universität von Murmansk überschrieben. Die bleibt hoffentlich bis zum Mai schuldenfrei.