: Die Wasserwerfer laufen warm
Die Sandsack-Blockade-Aktion der Bäuerlichen Notgemeinschaft in Splietau wurde verboten. Jetzt hat Bauer Harms ein Problem: Wohin mit dem Sand? Auf dem Weg nach Dannenberg gibt es Abnehmer
SPLIETAU taz ■ Generalprobe Montag 17 Uhr in Splietau. Das Dorf liegt an der südlichen der beiden Routen, über die der Castor rollen muss. 300 bis 400 Atomgegner sind gekommen. Einsatzkräfte der Polizei aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen auch. Und Bauer Harms hat ein Problem: wohin mit dem Sand, 60 Tonnen, abgefüllt in Säcke?
Die für den Dienstag geplante Sandsack-Blockade-Aktion der Bäuerlichen Notgemeinschaft wurde verboten, die Sandsäcke liegen nun auf dem Hof des Bauern, 100 Meter neben der Straße. Bauer Harms und die Notgemeinschaft riefen zur Entsorgung auf: „Packt kräftig zu, damit ihr die schweren Säcke unterwegs nicht verliert!“
Aber wohin mit dem Sand, wenn der Hof umstellt ist und es zu ersten Rangeleien kommt? Die Nachbarin weiß Rat, öffnet die Wiese, und die „Helfer“ nehmen eine Abkürzung. Nur das halbe Dutzend Schafe rennt wie verrückt im Kreis. Und die Polizei hat ihre Not. „Die tun auch nur ihren Job“, sagt die Nachbarin und hält das Tor offen. „Was die Politiker verzapfen, müssen die ausbaden.“
Die Wendlanddörfer sind groß und offen, die Zäune niedrig. Ein paar Tonnen liegen schon auf dem Asphalt, Menschen sitzen obenauf.
Den Hof absperren, die Blockade umstellen, Nachschubkräfte durchlassen, Einheiten aus Hannover, Erfurt und Bochum, Gruppenführer, Gebrüll: „Eure Leute“ – „Unsere Leute“ – „Blickkontakt halten!“ Kürzel und Zahlen schwirren durch die Luft, und immer mehr kommen mit Sandsäcken dazu, nahezu ungehindert.
Die Polizei ist konfus, die Demonstranten skandieren „Keine Gewalt! Keine Gewalt!“ Der Polizeiseelsorger raunt: „Die machen heut’ nichts.“
Zwei Wasserwerfer laufen warm. Mannshohe Strohballen werden herangerollt, lösen sich auf, gehen in Flammen auf. Jubel. Sechs Trecker bahnen sich den Weg, bleiben stehen. Bauer Adi Lambke, 70 Jahre, Rebell und Exgrüner springt herunter, Polizisten nehmen die Führerscheine ab, Lambke gibt Interviews. Die Straße ist längst gesperrt. Die Polizei will ein Déjà-vu vermeiden: Vor vier Jahren gab es hier eine Traktorenblockade. Außerdem unterhöhlten Demonstranten die Fahrbahn.
Der Polizeiseelsorger behält Recht. Die machten nichts. Rund 20 Demonstranten werden am Abend weggetragen. Den Sand vom Bauern Harms holten dann Trecker ab. Auf dem Weg nach Dannenberg gingen die meisten Säcke „verloren“, eine Fuhre erreichte die Info-Wiese der Castor-Gegner. Und die hatten ein „Problem“: wohin mit dem Sand? THOMAS GERLACH
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