„Die UÇK wird wiederkommen“

In der makedonischen Hauptstadt Skopje beherrschen derzeit Angst und Unsicherheit den Alltag. Die Menschen ziehen sich zurück. Viele fürchten, dass der Konflikt zwischen der makedonischen Regierung und den radikalen Albanern nicht zuende ist

aus Skopje ERICH RATHFELDER

„Marschall Tito“ heißt immer noch der Platz, der mitten im Zentrum Skopjes liegt. Von den viel besuchten Straßencafés sind die Mauern der alten Türkenfeste zu sehen, die sich jenseits des Vradar-Flusses erheben. Vor dem Einkaufszentrum, einem unansehnlichen Betonklotz, wird allerlei Tand angeboten. Blumenverkäufer und Schuhputzer werben auf Hockern sitzend um Kunden. Ein alter Mann bietet ausgestopfte Vögel an. Um die Blumenrabatten des Parks turteln junge Pärchen.

Zoran Batinovski ist 38 Jahre alt und Chef eines Reisebüros im ersten Stock eines Eckhauses am Tito-Platz. Meist sitzt der schlanke, gut aussehende Mann unten im Café, trinkt seinen Macciato mit viel Milch und liest Zeitung. Viel zu tun hat er nicht. „Jetzt ist nicht die Zeit zum Reisen“, sagt er. Nur Ausländer, Journalisten und Diplomaten belebten sein Geschäft. „Aber darauf würde ich gerne verzichten, wenn endlich hier wieder Ruhe wäre.“

Die UÇK in den Bergen um Tetovo, die Offensive der makedonischen Sicherheitskräfte, all das behagt ihm nicht. Zwar ist Batinovski zufrieden, dass die Makedonier es geschafft haben, die UÇK zu vertreiben. „Sie wird aber wiederkommen“, fürchtet er. Er ist wütend über die radikalen Albaner: „Die albanische Bevölkerung ist nicht diskriminiert in unserem Staat. Sieh dir nur ihre großen Häuser an. Den Albanern geht es gut.“

„Zu gut“, sagt ein Bekannter, der im „Ministerium“ arbeitet. „Die Albaner handeln mit Drogen, sie beherrschen die Prostitution. Und sie zahlen keine Steuern.“ Der Mann redet sich in Rage. „Wir werden den Terrorismus ausrotten.“ Sind schon Leute in Tetovo verhaftet worden? „Sicherlich.“ Die Schuldigen an dem Aufstand würden schon gefunden werden. Und er vermutet die Drahtzieher in den politischen Parteien der Albaner. „Das ist hier Makedonien und nicht Albanien“, bekräftigt er.

Vom Platz aus führt eine alte Brücke hinüber zum anderen Ufer, zur Feste und zum Bazar. Die Brücke „beherrschen“ Roma, die billige Kleidung und Wäsche zum Kauf anbieten. Auch sie sind bedrückt. „Schau doch nach Kosovo, was mit uns Zigeunern passiert, wenn Krieg ist.“ Mehr reden möchte der Mann nicht. Die Roma sollten sich nicht „in Politik“ einmischen.

Die schmucken Häuser des Bazars, die kleine Läden, wo Goldschmiede und Kunsthandwerker zu Hause sind, sind noch Überbleibsel der alten Stadt, die einstmals, vor dem großen Erdbeben 1962, für ihren orientalischen Charme bekannt war. Von hier aus ist das Panorama der modernen Stadt zu sehen, die auf den Trümmern der alten gebaut wurde. Die klotzigen Hochhäuser und die breiten Boulevards wurden am Reißbrett geplant. Das kommunstische Jugoslawien baute damals die Stadt wieder auf, von Slowenien bis Kosovo spendeten Arbeiter und Angestellte ein Monatsgehalt.

„Das war eine schöne Zeit“, sagt Iser Haliti, der damals noch ein junger Mann war. „Tito war gut, da haben alle friedlich zusammengelebt.“ In dem Frisörgeschäft des Albaners trafen sich noch vor wenigen Tagen viele Menschen. Während er rasierte und Haare schnitt, wurde laut die politsche Lage diskutiert. Und viele ließen ihre Sympathien mit der UÇK erkennen. Jetzt ist niemand da. Es ist still geworden. „Die Leute haben Angst. Die Albaner verkriechen sich.“ Jeder Fremde erntet misstrauische Blicke. Viele Läden und Cafés sind geschlossen. Wo noch vor wenigen Tagen das Leben pulsierte, sind jetzt die Straßen leer. Endlich öffnet eine Bekannte die Tür. Ich werde hereingewinkt. Die Tür wird sogleich verschlossen.

„Jetzt unterstützt keiner mehr die UÇK“, sagt die Dame des Hauses, die aus einer traditionsreichen türkischen Familie stammt. Jetzt stünden die Albaner auf dem Standpunkt, man sollte verhandeln, wie die internationalen Diplomaten dies vorgeschlagen hätten. Für sie habe es schon zu Beginn des Konflikts keine andere Möglichkeit gegeben, als zusammenzuleben und Kompromisse zu schließen. „In Makedonien gibt es Makedonier, Albaner, Zigeuner, Serben, Bulgaren, Türken und Griechen, alle leben in einem Staat, keiner soll die anderen beherrschen“, bekräftigt sie. „Aber ist das realistisch?“ Die Albaner forderten jetzt Verhandlungen, warteten aber ab, bis sie wieder in der Offensive wären. Und die Makedonier fühlten sich gestärkt und zeigten keinen Willen zum Kompromiss. „Letztlich sind alle unnachgiebig. Das hier ist noch lange nicht vorbei“, befürchtet sie.