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Extremes über die Zukunft

Welche Bücher ich gerne verlegen würde (7): Olaf Irlenkäuser, Rotbuch Verlag

„Wenn das Beten sich lohnen tät, was meinst du, was ich dann beten tät“ – sang Wolfgang Niedecken Anfang der Achtzigerjahre über das Sichwünschen. Also: Außer jemandem, der die zahllosen Gedanken zu diesem Thema von Zeit zu Zeit aus meinem Kopf holt und auf irgendein Papier beamt, wünsche ich mir auch noch ab und zu einen Autor, der eine dieser Ideen auf unerhört einzigartige Weise in ein Manuskript verarbeitet. Das wäre dann wohl eine ganz neue Auffassung des Begriffs „Books on demand“.

Heute morgen beim Frühstück war meine Lieblingsidee, dass mal jemand versuchen sollte, den tollen utopischen Roman „Die Töchter Egalias“ von Gerd Brantenberg von 1980 auf die heutige Zeit zu übertragen, also zum Beispiel den in diesem Buch äußerst konsequent geschilderten Kampf der Geschlechter durch die absolute Umwandlung der Machtverhältnisse auf heutige Verhältnisse transferiert. Wie wäre es denn mit einem Roman darüber, welche Wirtschaftsform der schon wieder verbleichenden New Economy nachfolgt? Gerd Brantenbergs Buch hat vor über zwanzig Jahren ein wichtiges gesellschaftliches Thema in Literatur verwandelt, es gab für den Leser auf jeder Seite ein Aha-Erlebnis, das sein Denksystem ins Wanken gebracht hat.

Heute gibt es Bücher von Michel Houellebecq oder Feridun Zaimoglu, die extrem über unsere Gegenwart berichten, ich würde mir auch Autoren wünschen, die extrem über unsere Zukunft schreiben, die in der Lage sind, ein glaubwürdiges Thema mit einem lesbaren Stil zu verbinden, und so eine sympathische gesellschaftliche Utopie schaffen. Wenn Literatur das erreichen kann, dann finde ich sie gut. Dann schafft sie eine Auseinandersetzung eines – zeitweise – zurückgezogenen Lesers mit der Welt draußen vor der Tür, eine Situation, die vielleicht beide bereichert, also in gutem Sinne vorwärts provoziert.

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