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Mit angespitztem Kruzifix

Versicherungsfall Religion – der neue Schutzbrief für Glaubensgeschädigte

„Man Back“ ist die weltweit einzige Firma, die gegen religiös motivierte Schäden versichert

Der Schock saß bei Bernd Dreesen* (34) und seiner Frau Anne (32) mindestens so tief wie das eiserne Kruzifix, das eines Morgens in ihrer Haustür steckte. Bis zu seinem Querbalken war das angespitzte Kreuz ins Türblatt getrieben woren, hatte das massive Holz gespalten und so die Tür irreparabel zerstört. Der oder die Attentäter wurden nie ermittelt, die polizeilichen Ermittlungen inzwischen eingestellt. Bernd Dreesen aber ist sich sicher: „Das waren die Katholen.“

Was war geschehen? Eine überregionale Tageszeitung hatte einen Leserbrief Dreesens veröffentlicht, in dem er sich über „den allsonntäglichen Terror des kirchlichen Geläuts“ beschwert und „die strikte Einhaltung der Sonntagsruhe“ gefordert hatte. Die Folge waren zahlreiche anonyme Anrufe und Schreiben aufgebrachter Christen, in denen Dreesen als „gottloser Lump“, seine Frau gar als „Teufelsbraut“ beschimpft wurden, ehe es dann zu dem Kruzifixanschlag kam. Der Sachschaden belief sich auf exakt 3.948, 21 Mark. Die psychischen Schäden, die die Eheleute davontrugen, versuchten sie erst gar nicht zu beziffern.

Das hat für sie dann Malcolm Bean (56) von der „Manchester Back“ erledigt, der weltweit einzigen Versicherungsgesellschaft, die gegen religiös motivierte Schäden versichert. Nach Beans Berechnungen hätte die „Man Back“ nach dem Kruzifixattentat eine Entschädigung von 21.000 Euro an die Dreesens ausgezahlt – so sie denn zuvor den „Standardschutzbrief Religion“ abgeschlossen hätten. Mittlerweile haben Dreesens diese Police erworben und damit Bean zu seinem 3.112. Vertragsabschluß in Deutschland verholfen.

In Großbritannien sind es bereits über drei Millionen Menschen, die sich bei der Man Back gegen Religionsschäden versichern ließen. Vor allem in Nordirland blüht das Geschäft. Bean kann deshalb kaum verhehlen, dass ein Frieden dort nicht unbedingt das ist, was sich seine Firma wünsche. „Wir sehen Religionen als Naturgewalten an“, erläutert er das Versicherungskonzept. „Die Schäden, die sie anrichten, werden von uns nicht anders beurteilt als die eines Hagelsturms oder eines Erdbebens.“ Ein Vergleich, der angesichts der Zerstörungen, die religiöse Eiferer mitunter anrichten, durchaus angemessen ist. Bean verweist auf die unlängst von den afghanischen Taliban zerstörten Buddhastatuen. „Nicht dass ich diesem buddhistischen Plunder eine Träne nachweinen würde“, stellt er jedoch klar. „Da haben die verdammten Mullahs ausnahmsweise mal was Vernünftiges getan.“ Die Man Back hätte dem Dalai-Lama gleich nach der Machtübernahme der Taliban eine Religionsschadens-Versicherung für die Statuen angeboten. Doch „der Lächler“ habe bloß „blöd grinsend“ (Bean) abgelehnt. Heute wäre er um einige Millionen Euro reicher.

Ihr eigentliches Geschäft machen die Religionsversicherer jedoch mit den eher alltäglichen Risiken, die von Religionen ausgehen. Von durchgescheuerten Hosen infolge zu häufigen Niederkniens beim Beten bis zu den Folgeschäden aus religiös motivierten Terroranschlägen, kann man sich bei der Man Back gegen so ziemlich jede religiöse Unbill versichern. In Deutschland etwa gehe die Zusatzversicherung „Beichtschäden“ besonders gut, verrät Bean. Sie werde vor allem von katholischen Eltern nachgefragt, die damit das „statistisch hohe Risiko“ (Bean) abfedern wollen, dass ihre Kinder durch übermäßiges Beichten psychische Langzeitschäden erleiden.

International verkauft sich die sog. „Mullah-Police“ am besten. Sie versichert gegen alle Schadensarten, die man durch einen, wie es im Vertragstext heißt, „nicht fahrlässig oder absichtlich herbeigeführten Verstoß gegen islamisches Gottesrecht“ erleiden kann. Die „Mullah-Police“ beinhaltet sogar eine Lebensversicherung, falls der Versicherungsnehmer durch ein islamisches Todesurteil Schaden nehmen sollte. In einer Werbebroschüre der Manchester Back heißt es dazu: „Ob sie durch Geiselnahme, Steinigung, Köpfen, Hängen oder Vierteilen sterben. Ihre Hinterbliebenen erhalten von uns in jedem Fall eine Million.“ Daneben ist ein Foto Salman Rushdies eingerückt, auf dem der fatwageschädigte Dichter entspannt lächelnd in die Kamera blickt und, glaubt man der Bildunterschrift, versichert: „Mit dem Schutzbrief der Man Back können mich die Mullahs mal kreuzweise.“ Halbmondweise wäre allerdings der religiös korrektere Text gewesen. FRITZ TIETZ

*Die Namen wurden geändert

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