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Das Ende einer Skinheadtruppe

Die SSS war eine der am besten organisierten Neonazigruppen. Straffe Führung, Übungen im Wald

DRESDEN taz ■ Die Polizei klingelte um halb sechs. Knapp einhundert Beamte und 20 Kollegen des Dresdner Regierungspräsidiums waren in der Sächsischen Schweiz angerückt, um die Verbotsverfügung zu überreichen. Ausgehändigt wurde der Erlass an die 16 „Members der SSS“ – so nennen sich die Führer der gut 120 Kopf zählenden rechtsextremen Kameradschaft. Und da man gerade vor Ort war, beschlagnahmten die Beamten weiteres Beweisgut: Festplatten, Fotos, Propagandamaterial, eine Waffe. Vier Skinheads hatten die SSS im Frühjahr 1996 gegründet, als Nachfolgeorganisation der 1994 bundesweit verbotenen Wikinger-Jugend. Mal war es ein NPD-Infostand in einem Pirnaer Gymnasium, mal der Anatalya-Grill, der kurz und klein gedroschen wurde, oder ein organisiertes Rechtsrockkonzert – immer wieder zeigte die SSS ihre Präsenz in der romantischen Bergwelt der Sächsischen Schweiz. Die sich wunderbar als Tummelplatz für rechte Pfadfinderideen eignet: Die Polizei entdeckte Übungscamps, wo der „bewaffnete Kampf“ geübt wurde.

Der Verein ist streng organisiert, und wer Mitglied werden wollte, musste zunächst eine halbjährige Bewährung mit diversen Tests bestehen. Die Mitglieder der SSS waren zur Stelle, wenn die NPD rief – wie etwa der Königsteiner NPD-Stadtrat Uwe Leichsenring, der eine Saalwache für einen Röder-Vortrag brauchte. Wie gut die SSS organisiert ist, demonstrierte sie am 23. Dezember an der Festung Königstein. Zwar kannte die Polizei Datum, waren Zivilstreifen vor Ort. Verhindern, dass innerhalb kürzester Zeit 250 Jugendliche – „offenbar der rechten Szene zugehörend“, wie es im Polizeibericht hieß – aufmarschierten, konnten die Beamten aber nicht. Unter dem Schlag der Trommel marschierte die SSS im Schein der Fackeln zu einer Höhle um die „Wintersunnwend 2000“ zu zelebrieren – die größte ihrer Art bislang in Sachsen.

Das drohende Verbot versuchte die SSS zuletzt durch Selbstauflö$sung zu verhindern, die im Januar via Internet erklärt wurde. Allerdings tauchte dort eine neue Organisation auf: der Nationale Widerstand Pirna (NWP). Sachsens Innenminister Klaus Hardrath machte kurzen Prozess und verbot diesen gleich mit. Hardrath: „Wir sind an der Szene dran und werden alle Neugründungsversuche unterbinden.“ NICK REIMER

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