: Netz für den freien Fall
Kooperation statt Konkurrenz: Der Stammtisch für selbständige Sozialpädagogen will Freiberuflern Mut machen ■ Von Michaela Soyer
Sich selbst zu vermarkten, Kunden zu akquirieren und Flyer zu erstellen – „das ist nicht gerade Sozialarbeiter-typisch“, sagt Karin Wisch. 1997 machte sich die heute 48-Jährige als Sozialarbeiterin selbständig. Jetzt arbeitet sie hauptsächlich als Supervisorin und psychologische Beraterin. Und weil sie durch ihre Zusatzqualifikationen als Suchtberaterin und Familientherapeutin auch in diesen Bereichen tätig ist, hatte sie irgendwann das Gefühl, „nirgendwo richtig dazuzugehören“. „Es muss auch noch andere geben, denen es ähnlich geht“, dachte Wisch und gründete vor einem Jahr mit dem „Deutschen Berufsverband für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Heilpädagogik“ (DBSH) einen besonderen Stammtisch.
Seither treffen sich alle zwei Monate zwischen fünf und acht Sozialpädagogen, die selbständig sind oder es werden wollen, im Haus des Landesfrauenrates, Falkenried 7. Laut DBSH gibt es bundesweit immerhin 10.000 Freiberufler in der Sozialarbeit. Sie arbeiten als Familientherapeuten und Kommunikationstrainer und einige auch für das Jugendamt in der Einzelbetreuung von schwierigen Jugendlichen.
„Viele machen sich selbständig, weil sie nicht als Schreibtischtäter enden wollen“, weiß Wisch. Einen Menschen so lange zu begleiten, bis er wieder auf eigenen Füßen stehen könne, sei bei der Verwaltungsarbeit oft nicht mehr möglich. „Ohne die Kontrollaufgaben ist eine Personenbetreuung viel intensiver“, hat Karin Wisch in den vergangenen drei Jahren festgestellt.
Nicht nur sie: Auch zum Stammtisch kommen vor allem Frauen Mitte Vierzig, die beruflich wieder zu ihren Visonen zurückkehren wollen, zu weniger Verwaltung und mehr Einzelbetreuung. Die regelmäßigen Treffen sollen Grundlage sein für ein Netzwerk von Selbständigen, die kooperieren, statt konkurieren. „Schön wäre es, wenn aus dem Stammtisch einmal gemeinsame Projekte entstehen würden“, hofft Wisch.
Bis dahin tauschen die Teilnehmenden Ideen über den Weg zur Selbständigkeit aus; es gibt Informationen zu Themen wie Scheinselbständigkeit und Fortbildung oder zu Steuerfragen. „Ein Exis-tenzgründerseminar ist der Stammtisch aber nicht“, sagt Wisch. Jungen Sozialarbeitern, die gerade ihr Studium beendet haben, rät sie nicht, sich sofort in die Selbständigkeit zu stürzen. „Dazu muss man besondere berufliche Qualifikationen haben und auf bestehende Kontakte zurückgreifen können.“
Trotzdem soll der Stammtisch Mut machen, den Weg in die Selbständigkeit zu gehen. „Inzwischen verdiene ich so viel, als wäre ich angestellt, habe aber mehr Spaß“, stellt Wisch zurfrieden fest. Gerade bei der aufreibenden Sozialarbeit gebe das „neuen Schwung, und die Gesundheit bleibt“.
Neue Mitglieder sind immer willkommen. Interessenten können sich bei Karin Wisch, 605 29 21, informieren.
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