„Kein Wille zum Neuanfang“

Bei einer vorgezogenen Neuwahl will Gregor Gysi nicht als PDS-Spitzenkandidat antreten. Auf den Posten eines Wowereit-Stellvertreters ist er nicht erpicht

taz: Vor wenigen Wochen forderten Sie die SPD auf, den Mut zu Neuwahlen zu finden. Jetzt will die SPD – und Sie wollen nicht mehr kandidieren?

Gregor Gysi: Ich hatte das nicht an meine Kandidatur geknüpft. Im Übrigen sehe ich Neuwahlen noch nicht. Die CDU wird ein wenig nachgeben, und das wird der SPD genügen. Die SPD ist eher daran interessiert, dass zum Zeitpunkt der Bundestagswahl 2002 neu gewählt wird.

Aber nun zu Ihnen.

Ich hatte gesagt: Berlin braucht einen Neuanfang – mit einem überparteilichen Personenbündnis. Davon kann doch keine Rede sein! Die regierenden Parteien denken nur in ihren eigenen Konstellationen. Sie haben die tiefe Krise Berlins überhaupt nicht erfasst. Außerdem passt eine Kandidatur in diesem Jahr mit meinen eigenen Plänen überhaupt nicht zusammen. Im September werde ich in eine Anwaltssozietät eintreten.

Wollen Sie 2002 wieder für den Bundestag kandidieren?

Das entscheide ich im Sommer.

Und wenn die SPD im Jahr 2002 Neuwahlen erzwingt?

Auf jeden Fall kann ich nicht gleichzeitig für den Bundestag und für Berlin kandidieren.

Das haben Sie noch nicht entschieden?

Ich habe nicht das Gefühl, dass die Berliner Politik zu einem Neuanfang bereit ist. Für die Einordnung in das bestehende Filzsystem stehe ich nicht zur Verfügung.

Auch wenn Sie nicht für das Abgeordnetenhaus kandidieren, könnten Sie in einem rot-rot-grünen Senat stellvertretender Bürgermeister werden.

Nein, aus den gleichen Gründen nicht. Außerdem: Die SPD denkt doch an einen Spitzenkandidaten Wowereit?

Es sieht so aus.

Er würde das wohl als Zumutung empfinden.

Weil das Missverhältnis der Persönlichkeiten zu groß wäre?

Ich bin sehr loyal. Aber es reichte ja schon, dass er es befürchten würde.

Gibt es denn einen SPD-Bürgermeister, bei dem Sie sich das vorstellen könnten?

Das Entscheidende ist: Wie weit wäre er zu einem radikalen Schnitt bereit? Vielleicht muss die SPD über den eigenen Parteidunst hinausdenken.

Also ein Regierender Bürgermeister mit PDS-Parteibuch?

Irgendwann kann ich mir das schon vorstellen. Es müsste eine Persönlichkeit sein, die auch in Westberlin akzeptiert ist und die sich den Aufgaben wirklich stellen würde. Aber der Zeitpunkt ist einfach noch nicht da.

INTERVIEW: RALPH BOLLMANN