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Kein Schloss! Doch was?

In der Akademie der Künste ist man sich einig: Keine Rekonstruktion des Schlosses, die Stadt von morgen braucht keine Symbole von gestern. Was stattdessen gefragt ist, ist aber auch nicht klar

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Einen Wiederaufbau des barocken Stadtschlosses wird es mit der Akademie der Künste nicht geben. Auch auf ihrer zweiten Veranstaltung „Diskussionsforum Stadtmitte“, das sich als „Kommentierung“ zur Schlossplatz-Expertenkommisssion versteht, wandten sich am Donnerstagabend Architekten und Stadtsoziologen gegen Bestrebungen, die zentrale Mitte schnell und mittels einer Rekonstruktion zu bebauen. Selbst die derzeit in der Debatte befindlichen Nutzungsideen für den Schlossplatz – als Museum, Konferenzzentrum oder Bundesgästehaus – sind nach Ansicht der Akademie unzureichend. Dies seien Modelle, die mehr zur „Verödung“ als zur Verlebendigung der Stadtmitte beitrügen, so Jörn Walter, Oberbaudirektor der Stadt Hamburg.

Hauptgrund für die ablehnende Haltung der international besetzten Runde gegenüber einem Schloss oder einer „Stadtkrone“ sei deren anachronistischer Charakter, analysierte Walter Siebel, Soziologe an der Universität Oldenburg. Angesichts von massiver Suburbanisierung und der Auflösung traditioneller Stadtstrukturen verliere das Zentrum zusehends seine „historische Bedeutung als privilegierter Ort“. Große bauliche Stadtsymbole wie Kirchen, Rathäuser, Marktplätze oder ein Schloss würden „nicht mehr gebraucht“. Jedes „Aufladen des Ortes“ mit solchen altgedienten Modellen führe an zukünftigen Funktionen von Stadtmitten vorbei – etwa als Standort von heterogenen, vielschichtigen Nutzungen.

Auch Marco Venturi, Architekt aus Venedig, sieht die „Stadt in einem Wandel“, wo die Mitte „ihre Funktion als politisches oder ökonomisches Zentrum“ verloren habe. Allein aus Gründen der Tradition den Schlossplatz zu rekonstruieren sei schon darum falsch, weil Berlin „im Wettbewerb zu anderen Städten etwas Neues benötigt“. Darum müsse statt der „festgelegten“ Wiederaufbaudebatte ein Diskurs mit Spielraum und Veränderungsmöglichkeiten geführt werden. Marco Venturi: „Der Schossplatz braucht Zeit und die Chance für den Prozess.“

Wie ein solcher „Prozess“ in Gang kommen sollte, konnten allerdings Wolfgang Kil, Architekturhistoriker aus Berlin, und Oberbaudirektor Jörn Walter nicht zwingend beschreiben. Den Ort als „Leerraum“ zu belassen, „bis uns etwas Gescheites einfällt“, und nach neuen Nutzungen für den sanierten Palast zu suchen hielt Kil für die beste aller Möglichkeiten.

Und „Lebendigkeit“ von den angrenzenden Stadtstrukturen auf den Platz zu holen – von der Humboldt-Universität, der Museumsinsel oder dem Hackeschen Markt –, wie Jörn Walter sagte, ist auch nicht neu. Die Runde war da etwas ratlos, nur in einem sicher, dass kein Stadtschloss wieder entstehen soll.

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