: Keine Entscheidungsneurotiker
■ Thalia setzt in der kommenden Spielzeit auf standhafte Figuren
Maxim Gorkis Nachtasyl war das erste Stück, das er am Thalia Theater inszenierte, „Nachtasyl“ heißt auch die Thalia-Bar; gänzlich unpolitisches Asyl soll jetzt – als fest engagierter Oberspielleiter – Regisseur Andreas Kriegenburg von der kommenden Spielzeit an am Thalia bekommen. Derzeit ist er fest am Wiener Burgtheater tätig.
Und damit er gleich zur „notwendigen Ensemblebildung“ beitragen könne, so Thalia-Intendant Ulrich Khuon beim Spielplan-Release, wird Kriegenburg die Spielzeit 2001/2002 mit der Inszenierung von Marcel Carnés Kinder des Olymp eröffnen. Und noch einen wird Khuon fest ans Haus binden: den oft eher verhalten inszenierenden Stephan Kimmig, der zuletzt Kleists Prinzen von Homburg umsetzte und in der kommenden Spielzeit unter anderem Shakespeares Viel Lärm um Nichts präsentiert.
Der rote Faden? „Menschen, die an ihren Positionen festhalten“ und die nicht – wie viele in dieser Spielzeit – an Entscheidungsneurosen scheitern, so Khuon. Zur Umsetzung hat er außerdem Regisseure aus Ost- und Westeuropa ans Haus geholt: Krystian Lupa, in Polen bereits durch Inszenierungen an experimentellen Theatern in Krakau und Warschau aufgefallen, wird Musils Die Schwärmer ausleuchten. Seine Dante-Trilogie fortsetzen wird der Slowene Tomaz Pandur: Purgatorio aus der Göttlichen Komödie steht im Februar 2002 auf dem Programm. Und wem dies nicht genug ist, der kann auf Michael Thalheimer vertrauen, der Schillers Kabale und Liebe auf die Absolutheit der Liebe hin untersuchen wird – und vielleicht werden die Ergebnisse slightly anders sein als im Liliom dieser Spielzeit, das zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde. Martin Kusej, am Thalia bereits 1998/99 zu Gast, wird außerdem Christopher Marlowes Edward II. umsetzen, und Jürgen Kruse, 1995 bis 2000 gemeinsam mit Leander Haußmann am Bochumer Schauspielhaus tätig, nimmt sich Eugene O'Neills Gier unter Ulmen an.
Fortsetzen wird Kriegenburg auch die Zusammenarbeit mit Dea Loher, mit der er unter anderem – „vielleicht als Gegenreflex zur derzeit grassierenden Theatersoap“ – die „kleine Form“ ausprobieren will: Eine tagebuchartige Abfolge von Texten will er experimentell umsetzen; Thema soll die Beziehung zwischen Autor und Theaterbetrieb sein. Eins stellt Kriegenburg allerdings schon mal klar: „Wir wollen der Zeit weder nachlaufen noch ihr vorauszueilen versuchen.“ Und sie überholen will er erst recht nicht: „Diesem Druck setzen wir uns gar nicht erst aus.“
Petra Schellen
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