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SPD will Schüler auf Trab bringen

Parteitag plädiert mit knapper Mehrheit für das Abitur schon nach zwölf Schuljahren. Nur Ethik soll Pflichtfach werden

„Berlin – Stadt des Wissens“ – das war das offizielle Motto des Parteitags der SPD am Wochenende. Und obwohl das Thema Neuwahlen, Klaus Landowsky und die CDU-Spendenaffäre dominierte, fassten die Sozialdemokraten im Laufe des Sonnabends in einem zähen Abstimmungsmarathon dann doch noch einige wegweisende bildungspolitische Beschlüsse, die. wie es Schulsenator Klaus Böger ausdrückte, „Signalwirkung“ für die Stadt haben werden.

Zukünftig sollen Schüler nach Willen der SPD schon nach 12 Jahren ihr Abitur ablegen. Dafür sollen die Lehrpläne gestrafft, das inhaltliche Angebot aber beibehalten werden. Allerdings fand sich dafür nur eine hauchdünne Mehrheit. 138 Deligierte waren für das Schnell-Abi, 134 dagegen. Der Fraktionsvorsitzende Klaus Wowereit appellierte eindringlich an die Genossen, dass es „nicht naturgegeben sei“, wenn Hochschulabsolventen erst mit durchschnittlich 27 Jahren ins Berufsleben treten. Die SPD müsse den „Mut haben“, dies zu verändern. Ein Zentralabitur soll es jedoch nicht geben.

Auch in einem weiteren Punkt zeigten die Delegierten Veränderungswillen. So votierten sie für die äußere Leistungsdifferenzierung in der 5. und 6. Klasse. Das bedeutet, dass die Jahrgänge in den Fächern Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache nach leistungsstarken -und schwachen Gruppen getrennt werden sollen. Die 6-jährige Grundschule soll jedoch beibehalten werden. Beim Punkt Studienplätze stimmten die Delegierten für eine Aufstockung von 85.000 auf 100.000.

Erheblichen Dissens gab es beim leidigen Thema Religionsunterricht. Hierzu hatte der Landesvorstand, der den bildungspolitischen Leitantrag ausgearbeitet hat, einen zusätzlichen Antrag eingebracht, der abgeschmettert wurde. So wollte der Vorstand an 20 bis 25 Schulen „innovative Modelle für Werterziehung“ ausprobieren. Dabei sollte unter anderem mit dem so genannten Fenstermodell experimentiert werden, bei dem die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften im Rahmen von Ethik/Philosophie-Unterricht die Möglichkeit haben, bekennend zu unterrichten. Auch das von der CDU und den Kirchen geforderte Wahlpflichtfach Religion oder Ethik/Philosophie sollte an verschiedenen Schulen gelehrt werden, genauso wie Islamunterricht.

Doch das missfiel den Delegierten. Die Parteibasis und auch ein Großteil der SPD-Fraktion wollen bekennenden Religionsunterricht als ein verpflichtendes Fach im Gegensatz zu Schulsenator Böger nicht in den Schulen haben, auch nicht als Modellprojekt. So stimmten sie mit großer Mehrheit für einen Antrag des Kreisdelegiertenverbandes Friedrichshain-Kreuzberg, der die Modellversuche ablehnt und stattdessen ein Pflichtfach Philosophie/Ethik für alle Schüler einrichten will. Religion bliebe wie bisher ein zusätzliches Wahlfach.

Böger betonte nach dem Parteitag zähneknirschend, dass „dies nicht die letze Debatte“ über das Thema Religionsunterricht gewesen sei, jedoch „müssten Mehrheitsergebnisse akzeptiert werden“. Wichtiger seien die anderen bildungspolitischen Beschlüsse.

So hat die SPD außerdem ein „Aktionsprogramm“ für diese Legislaturperiode beschlossen, nach dem unter anderem die verlässliche Halbtagsschule erweitert, Schüler mit schlechten Deutschkenntnissen mehr gefördert und die Klassenfrequenzen in den Grund-und Oberschulen, beginnend in Klasse 1 und 7, „deutlich abgesenkt“ werden. Die SPD will dies finanzieren durch Einsparungen aufgrund der sinkenden Anzahl von Schülern. JULIA NAUMANN

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