: Griff nach der Aktionskasse
Nachdem internationale Institutionen die „Herzegowinische Bank“ übernehmen wollten, kam es zu Widerstand. Mob griff Mitarbeiter internationaler Organisationen an. Die Bank sollte vermutlich den Aufbau eines kroatischen Staats finanzieren
aus Split ERICH RATHFELDER
Panzer der internationalen Friedenstruppen SFOR sind in Bosnien aus ihren Kasernen gerückt. Nachdem es am letzten Freitag zu militanten Auseinandersetzungen der kroatischen Nationalisten mit SFOR-Truppen und Mitgliedern der internationalen Administration in Mostar und Grude gekommen war, blockierten SFOR-Truppen am Samstag die Waffendepots der kroatisch-bosnischen Armee HVO. In den Kroatengebieten Bosniens und der Herzegowina war die Lage auch gestern weiterhin angespannt. Anlass für die aktuellen Auseinandersetzungen war die Anweisung des Hohen Repäsentanten der internationalen Gemeinschaft, Wolfgang Petritsch, die Büros der „Hercegovacka Banka“ (Herzegowinische Bank) in Mostar und anderen Städten der internationalen Kontrolle zu unterstellen. Als aber die designierte internationale Zwangsverwalterin unter dem Schutz von SFOR-Soldaten die Räume der Bank betrat und Material beschlagnahmte, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Aufgebrachte Kroaten versuchten, das Büro des Hohen Repräsentanten (OHR) in Mostar zu stürmen. Einige Mitarbeiter wurden dabei leicht verletzt, in Grude wurden Mitarbeiter internationaler Organisationen sogar als Geiseln genommen. Als die beschlagnahmten Akten und Computerdisketten am Freitagabend an die Kroaten zurückgegeben wurden, beruhigte sich die Lage wieder. Die Mitarbeiter des OHR wurden von SFOR-Truppen in Sicherheit gebracht.
Der seit Monaten herrschende Konflikt zwischen den internationalen Institutionen in Bosnien und Herzegowina und den kroatischen Nationalisten hat sich mit den Ereignissen vom Wochenende dramatisch verschärft. Die Entscheidung, die Hercegovacka Banka unter internationale Aufsicht zu stellen, „trifft die Führung der kroatischen Nationalpartei HDZ ins Herz,“ meinte ein Mitarbeiter Petritschs. Man vermute, dass über die Bank „illegale Aktivitäten“ unterstützt würden. So finanzieren die Führer der HDZ angeblich mit dem in der Bank deponierten Geld den Aufbau eines kroatischen Staates in Bosnien und Herzegowina. Mitte März hatte sie diesen Staat ausgerufen.
Schon vor Monaten hatte der Kroatenpolitiker Ante Jelavić die Auflösung der in Washington 1994 gegründeten bosniakischen-kroatischen Föderation in Bosnien und Herzegowina gefordert. Seit dem Abkommen von Dayton vom November 1995 besteht der Staat Bosnien und Herzegowina aus zwei so genannten Entitäten, der bosniakisch-kroatischen Föderation und der Republika Srpska. Die kroatischen Nationalisten wollen jetzt eine eigene Entität durchsetzen und damit mit den Serben Bosniens gleichgestellt werden. Die internationale Gemeinschaft dagegen will die im Krieg geschaffene ethnische Trennung aufheben und strebt langfristig den Aufbau eines multiethnischen Gesamtstaates an.
Der Konflikt gewann an diesem Wochenende zusätzlich an Schärfe, weil die internationalen SFOR-Truppen Waffendepots der kroatischen-bosnischen Armee HVO unter ihre Kontrolle brachten. Die HVO wurde zwar nach 1995 mit den Truppen der „Bosnischen Armee“ in einer „Föderationsarmee“ zusammengefasst, sie konnte jedoch intakt bleiben, weil beide Armeen nur über ein gemeinsames Oberkommando verfügen und ihre Mannschaften in getrennten Einheiten formiert sind. Als Antwort auf die Kampagne der kroatischen Nationalisten setzte das von der internationalen Seite unterstützte Oberkommando der Föderationsarmee mehrere kroatische Kommandeure ab. Aus Protest dagegen demonstrierten schon letzte Woche Hunderte kroatischer Soldaten.
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