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: Vor den Playoffs ist die NHL attraktiv wie lange nicht

22 Jahre und kein bisschen Cup

I’d heard the music years beforeWenn heute Nacht die Playoffs um den Stanley Cup beginnen, könnte es der National Hockey League (NHL) kaum besser gehen. Die Liga hat es während der regulären Saison endlich geschafft, die in den letzten Jahren überhand nehmende destruktive und brutale Spielweise einzuschränken. Zwar fielen nur unwesentlich mehr Tore als im Jahr zuvor, aber die Schiedsrichter pfeifen strenger und das Spiel ist attraktiv wie lange nicht. Die neuen Teams im Süden der USA, die in den letzten Jahren in die Liga aufgenommen wurden, sind ein voller Erfolg beim Publikum, und selbst die Not leidenden Franchises aus dem Mutterland des Eishockeys, eines der größten Probleme der NHL, schlugen sich überraschend erfolgreich: Gleich vier kanadische Teams erreichten die Playoffs.

Selbst der spätestens nach dem Rücktritt von Wayne Gretzky vor zwei Jahren eklatante Mangel an Aushängeschildern wurde wie durch Geisterhand behoben, als Mario Lemieux nach dreieinhalb Jahren Pause ein triumphales Comeback feierte. Wo immer der 35-Jährige, in Personalunion nun Spieler und Besitzer der Pittsburgh Penguins, mit seinem Team auftauchte, waren die Hallen ausverkauft. So trug er zu einem neuen Rekord bei: Acht Prozent mehr Zuschauer als in der vergangenen Saison kamen. Damit hat die NHL den Publikumszuspruch in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt.

Nur das Fernsehen macht der NHL weiter Sorgen: Im Vergleich zum Vorjahr sind die Quoten bei manchen Sendern um mehr als 20 Prozent gesunken. Für die Playoffs aber ist die Liga guter Dinge. NHL-Chef Gary Bettman setzt vor allem auf Lemieux, dessen Penguins allerdings nur Außenseiter sind, und die in den USA so beliebte Tränendrüse. Die sentimentale Topstory ist Ray Bourque: 40 Jahre alt, lebende Legende, seit 22 Jahren in der NHL, aber noch nie Meister. „Es gibt viele Menschen“, weiß Bettman, „die hoffen, beten und wünschen, dass Ray endlich den Cup stemmen darf.“

Tatsächlich sind Bourque und seine Colorado Avalanche die Topfavoriten in der Western Conference. Sie haben die reguläre Saison als punktbestes Team abgeschlossen und sich so den Heimvorteil in den gesamten Playoffs gesichert. Colorado hat mit Joe Sakic und Peter Forsberg nicht nur zwei der talentiertesten Center, sondern mit Bourque und dem erst mitten in der Saison verpflichteten Rob Blake auch das beste Verteidiger-Duo der NHL.

Aber: Colorado spielt eigentlich nur mit zwei Linien, dahinter kommt nicht viel. Das wird vor allem in den Playoffs zum Problem, wenn die Intensität größer wird, die Abstände zwischen den Spielen kürzer, die Schiedsrichter gewöhnlich mehr durchgehen lassen und so die Verletzungsgefahr steigt. Die Detroit Red Wings dagegen, die den Avalanche in den letzten Jahren verbissene bis blutige Playoff-Serien lieferten, haben vier halbwegs ausgeglichene Angriffsreihen und hoffen darauf, dass Colorado bereits erschöpft ist, wenn man aufeinander trifft, was frühestens im Halbfinale der Fall sein kann.

Im Endspiel dürften mit großer Wahrscheinlichkeit die New Jersey Devils warten, das stärkste Team der letzten Wochen, und das nicht nur in der eh nicht so ausgeglichen besetzten Eastern Conference. „Sie haben keine Schwächen“, sagt Marc Crawford, der Trainer der Vancouver Canucks, „andere Topteams machen dies oder jenes besser als New Jersey, aber die Devils können alles.“ Womöglich ja auch Ray Bourque eine seit 22 Jahren geplante Feier versauen. THOMAS WINKLER