piwik no script img

Nightmare on Elbchaussee

Baubehörde, Bild-Zeitung, FDP und Radio Hamburg im Furor: Der „Stauwahnsinn“ soll jetzt auch in die Kinos  ■ Von Peter Ahrens

Welch ein Filmstoff: Die Freiheit, die Wut, der Wahnsinn. Dazu ein paar todesmutige JournalistInnen, verbündet mit einer kleinen politischen Gruppe, die couragiert gegen einen mächtigen Politiker kämpft, dem jedes Mittel recht ist. Das ganze in Starbesetzung, die Namen der Hauptdarsteller zergehen auf der Zunge: Eugen Wagner, Marcel Becker, Martin Schnitker und Burkhardt Müller-Sönksen. Die Dreharbeiten stehen kurz vor dem Abschluss. Arbeitstitel: Die Behörde. Der Film soll am 23. September in die Hamburger Kinos kommen.

1. Szene: Eine Straße, irgendwo in der Innenstadt, morgens 8 Uhr. Stau. Das ist das tragende Element des Films. Stillstand. Natürlich symbolisch gemeint für den Zustand der Behörde und ihren Senator. Unmut staut sich, der unerschrockene Journalist Martin Schnitker sammelt ihn, fängt ihn auf, verbreitet ihn in seiner Zeitung. In dieser Zeitung, Arbeitstitel Bild, holt Schnitker aus: „Wir lassen uns nicht länger in den Stauwahnsinn treiben. Eine Million Menschen in Hamburg und dem Umland verfolgen mit äußerstem Interesse, wie Bild Tag für Tag die schlimmsten Missstände einer verfehlten Verkehrspolitik anprangert.“ Eine kleiner mutiger Piratensender, Arbeitstitel Radio Hamburg, schließt sich der Aktion an und bekommt den langen Arm der Macht des Senators zu spüren. Schlagzeilen: „Baubehörde verweigert Radio Hamburg die Zusammenarbeit“ (6. April), „Streit mit Baubehörde eskaliert: Radio Hamburg soll Unterlassungserklärung abgeben“ (9. April). Der Programmdirektor des kleinen Senders, Marcel Becker, verteidigt die Fackel der Freiheit: „Eine faire kritische Berichterstattung ist unsere Pflicht gegenüber den mündigen BürgerInnen der Hansestadt.“ Nur eine noch kleinere Partei, Arbeitstitel FDP, hilft den in Not geratenen Medien gegen die Rache des fiesen Politikers. Es erscheint die Lichtgestalt, Burkhard Müller-Sönksen, medienpolitischer Sprecher der Hamburger FDP: „Eugen Wagner ist mit seinem Versuch, einen für ihn politisch unbequemen Radionsender in seiner Pressefreiheit zu beschneiden, auf Beton gestoßen: Pressefreiheit ist härter als Beton.“

Nach diesen Worten die Wende. Neue Schlagzeile: „Bausenator Wagner sagt für Live-Interview bei Radio Hamburg zu.“ (10. April)

Das Happy-End: Der Senator muss seinen Rücktritt erklären und wird vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit verurteilt. Die Behörde an der Normannenstraße wird gestürmt, der Programmdirektor wird neuer medienpolitischer Sprecher der FDP, der medienpolitische Sprecher wird neuer Bausenator, und der tapfere Bild-Journalist verliebt sich in die hübsche Moderatorin von Radio Hamburg.

Schlussszene: Konfettiparade auf der Ost-West-Straße.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen