: Ein Stammtisch voller Bundestrainer
Die Sportminister-Konferenz will Sportvereinen den Einsatz von Nicht-EU-Ausländern verbieten. Für Hamburgs Klubs könnte es dann düster aussehen ■ Von Elke Spanner und Eberhard Spohd
Vladimir Klitschko, Anthony Yeboah oder Mehdi Mahdavikia sind Namen, die mit dem Hamburger Sport verbunden sind. Sport sei ein Integrationsfaktor, lobpreisten die Verbände sich bislang immer selbst. Das konnten sie auch prob-lemlos, denn ihre Interessen harmonierten bestens mit denen des Ausländerrechts: Leistungsfähige Kicker, Eishockeyspieler und Handballer ins Land zu holen, sollte dem öffentlichen Interesse Deutschlands dienen. Daher erhielten Berufssportler problemlos eine Aufenthaltsgenehmigung für die Dauer ihres Arbeitsvertrages.
Auf einmal aber sollen die auswärtigen Spieler dem Sport nicht dienen, sondern sogar Schaden zufügen: Der deutsche Nachwuchs, meckerten Sportverbände vor allem nach der verpatzten Fußball-EM im vergangenen Jahr, bekommt wegen der ausländischen Konkurrenz zu wenig Chancen im eigenen Land. Daraufhin haben die Sport- und die Innenminister der Länder im Oktober den Beschluss gefasst, Nicht-EU-Ausländern nur noch den Aufenthalt zu genehmigen, wenn diese in einer ersten Bundesliga spielen. Die Entscheidung dürfte auch die Hamburger Vereine etliche sportliche Ehren – und in der Folge auch Werbe- und Sponsorenverträge kosten.
Doch obwohl es nur noch eine Frage der Zeit und weniger Klauseln ist, bis der Beschluss in Gesetzesform gegossen wird, verharren die hiesigen Vereine in Reglosigkeit. Bei der Hamburger Univer-sum-Box-Promotion hat man davon bisher noch nicht einmal gehört. 35 Boxprofis sind hier unter Vertrag, darunter Prominente wie Brüder Vladimir und Vitali Klitschko. Achtzig Prozent der dort verpflichteten Boxer haben keinen deutschen Pass. Problemlos hätten die bisher ein Visum für den Aufenthalt in Deutschland bekommen. Wäre das in Zukunft nicht mehr möglich, heißt es beim Boxstall bloß, käme das „doch einer Diskriminierung gleich“.
Die Eishockey-Oberligisten der Hamburger Crocodiles verfahren ebenfalls nach dem Scheuklappenprinzip: „Wir nehmen die Regelung nicht ernst“, sagt Abteilungsleiterin Brigitte Dose. Im August startet die nächste Saison, noch haben sich die Farmsener über die Zusammenstellung der neuen Mannschaft keine Gedanken gemacht, und „die Ausländerstellen werden zuletzt besetzt“. Sollte die Regelung aber wie von den Innenmin-nistern angepeilt im Sommer inkraft treten, hätte das immense Auswirkungen für die Crocodiles: Im Team spielen zurzeit drei Kanadier und ein Russe, und gerade aus Kanada, Russland und den USA haben die Crocodiles in jeder Saison Spitzenspieler verpflichtet. Müssten sie sich auf das Anwerben von EU-Ausländern beschränken, so Dose, würde das „das Niveau aller Ligen sehr nach unten schrauben“. Was auch finanzielle Folgen hätte: „Dann kommen weniger Zuschauer, die Einnahmen der Vereine gehen runter, so dass sie auch für Sponsoren weniger interessant werden.“
Im Grunde werden ausländische Spitzensportler nun allen übrigen Nichtdeutschen gleichgestellt. Ausländern aus Nicht-EU-Staaten dürfen grundsätzlich nur mit einem Visum für drei Monate ins Land. Wer hier arbeiten und dafür länger bleiben will, bekommt die Genehmigung nur, wenn der Aufenthalt zur „Wahrung von Interessen der BRD erforderlich ist“, wie es im Ausländergesetz heißt. Vergessen können das alle Nicht-EU-Ausländer, die alltägliche Berufe im Handwerk oder Dienstleistungssektor haben. Sie haben nur dann eine Chance, wenn sich um die begehrte Stelle nicht auch ein deutscher oder Nicht-EU-Ausländer bewirbt. Bei Profisportlern hingegen wurde wegen des internationalen Renomees und der finanziellen Früchte eine Ausnahme gemacht. Die soll nun nur noch für die erste Bundesliga gelten. Allein für den Fußball wird eine Ausnahme auch für die zweite Bundesliga diskutiert. Sollte die nicht kommen, wären beispielsweise beim FC St. Pauli Spieler wie Zlatko Basic, aber auch junge Talente wie Ivan Klasnic nicht mehr spielberechtigt.
Bei der neuen Regelung geht es den politischen Stammtisch-Bundestrainern um die Stärkung der deutschen Sportler, insbesondere des Nachwuchses, der nicht auf der Reservebank sitzen soll, während die ausländischen Teamkollegen das Spiel bestreiten. Beim Deutschen Fußballbund (DFB) ist man allerdings eher skeptisch: „Es gibt keine Studie, die beweist, dass eine Liga ohne Ausländer die Einheimischen stärken würde“, betont dessen Justitiar Goetz Eilers.
Noch deutlicher wird Holger Hieronymus: „Die ganze Diskussion ist völlig absurd und passt nicht in die heutige Zeit“, echauffiert sich das Vorstandsmitglied des Hamburger SV. Er fordert: „Bevor die Politik Entscheidungen trifft, sollte sie mal mit jemandem aus dem Tagesgeschäft sprechen.“
Dabei hat Hieronymus selbst wenig Grund, sich aufzuregen. Schließlich spielt der HSV in der Ersten Bundesliga, die von der rest-riktiven Regelung ausgenommen ist. Sein Kollege Stefan Beutel vom Zweitligisten FC St. Pauli hat mehr Grund zur Sorge: „Wenn zwischen Erster und Zweiter Liga unterschieden wird, dann haben wir gar keine Planungssicherheit mehr.“ Im Moment könnten noch mehrere Vereine in die oberste Spielklasse aufsteigen. Würde die Regelung nun inkraft treten, könnten diese Klubs sich nicht vernünftig auf die kommende Saison vorbereiten. Auch im Jugend- und Amateurbereich wäre es katastrophal, so Beutel, wenn man talentierten Ausländern die Möglichkeit nähme, hier Sport zu treiben.
„Außerdem finde ich nicht gut, dass wir zwar offene Grenzen haben wollen, aber dann wieder andere Menschen ausgrenzen“, findet der Geschäftsführer. Schon allein deshalb gibt es für ihn nur eine Konsequenz: „Wir werden bis zur letzten Patrone gegen diese Regelung kämpfen.“
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