: Kein Totschweigen
■ 20 TürkInnen besetzten den Spiegel, um auf Todesfasten aufmerksam zu machen
Trotz des eindringlichen Appells, sie sollten „keine Zuschauer des Massensterbens in türkischen Gefängnissen“ sein, ließ sich am Gründonnerstag das Gros der Spiegel-MitarbeiterInnen in der Kantine und Caféteria den Appetit nicht verderben. Sie speisten weiter, als mittags 20 linke TürkInnen das angrenzende Foyer des Verlagshauses an der Brandstwiete besetzten und lauthals Parolen skandierten: „Isohaft ist Folter – Isohaft ist Mord.“
Mit ihrer Aktion wollten die TürkInnen auf das seit 175 Tage andauernde Todesfasten politischer Gefangener in den türkischen Gefängnissen aufmerksam machen, dem bislang nach ihren Angaben 39 Menschen zum Opfer gefallen sind. Erst wenige Tage zuvor seien mit Nergiz Gülmez (31) und Fatma Ersoy (27) wieder zwei junge Inhaftierte an den Folgen des Hungerstreiks gestorben.
Hintergrund des Konflikts ist das Betreben des türkischen Regimes, politische Gefangene von anderen Inhaftierten in Isolationstrakten abzuschotten, in denen sie dann wehrlos Folter und Terror ausgesetzt sind. Zunächst setzten sich die Gefangenen mit Revolten dagegen zur Wehr, der Aufstand wurde aber kurz vor Weihnachten durch das Militär brutal niedergeschlagen. Beim Sturm der Knäste starben 28 Gefangene. Seither lehnen die in Sicherheitstrakts verlegten Inhaftierten die Nahrungsaufnahme ab.
Obwohl der Spiegel ein großes Renommée genieße, habe das Magazin „bislang nicht ausführlich über den Hungestreik in den türkischen Knästen berichtet“, so der Vorwurf. Der eilends von zu Hause herbeigeeilte stellvertretende Ressortleiter Ausland Hans Hoyng zeigte Souveränität. Ungeachtet der Aktion verfolge das Blatt zwar die Ereignisse in der Türkei, dennoch würde er die vorgetragenen Informationen „genau prüfen, vor Ort Korrespondenten die Lage recherchieren und dann entscheiden, wie darüber berichtet wird“, versicherte er. Mit dieser Zusage gaben sich die BesetzerInnen zufrieden und verabschiedeten sich per Händedruck. Die Polizei musste nicht eingreifen. Kai von Appen
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