Reaktionen auf den Artikel von T. Gesterkamp: Fast schon eine Lachnummer
betr.: „Väter ohne Spielraum“, taz vom 10. 4. 01
Mag die Kritik an der Kampagne der Bundesministerin berechtigt sein. Die Forderung nach neuen und innovativeren Konzepten, um Papa ins Kinderzimmer zu kriegen, scheint mir durchaus nachvollziehbar. Aber das täuscht nicht hinweg über die inhaltlichen Schnitzer, die dieser Artikel enthält:
Wer ernsthaft glaubt, dass Jungenarbeit statt Mädchenarbeit Priorität haben muss, weil offensichtlich ist, wer’s nötiger hat, der verkennt eine der Ursprungsforderungen der Koedukationskritik und einen der wesentlichen Ausgangspunkte der Mächenarbeit: Wer lauter schreit und mehr Aufwand macht, bekommt deshalb nicht mehr Aufmerksamkeit. Das gilt immer noch.
Und zweitens: Väternetze und -zentren wären mit Sicherheit ’ne tolle Sache, nur die Forderung ans Familienministerium, da womöglich flächendeckend für die Väter zu sorgen, ist fast schon eine Lachnummer. Da ist schon etwas mehr Eigeninitiative gefragt. Was allerdings neben den boshaften und platt daherkommenden Seitenhieben auf die Familienministerin und auf die krakeelenden Feministinnen das wirklich Ärgerliche an diesem Kommentar ist, ist der Tenor: „Tja, wir Väter würden uns ja überreden lassen, uns an der Familienarbeit zu beteiligen, wenn die Frauen endlich mal aufhören würden, sich selbst zu fördern, und uns wieder mehr Aufmersamkeit und (finanzielle) Zuwendung schenken.“ Sorry, Jungs, so funktioniert das nicht.
Um Männerforschung und Männer-in-die-Küche-Förderung müsst ihr euch schon selber kümmern. Das ist die klassische „Opfer-meiner-Sozialisation“-Haltung, die sich die Frauen schon längst abgewöhnt haben. [...]
Ach ja, und: Genderdebatte und Geschlechterdemokratie beinhaltet weit mehr und vieles andere als die Frage nach der Aufteilung von Familienarbeit im heterosexuellen Kleinfamilienmodell.[...] SANDRA DÄXL, Wolfratshausen
[...] Wenn Frau Bergmann sich ab und zu auch mal mit Männern unterhalten würde, wäre ihr längst klar, dass die meisten von uns es satt haben, vom Softi zum Macho zum Neuen Vater (mit etlichen Zwischenstationen und Varianten) immer wieder die gerade aktuell von Frauen eingeforderten Modeschablonen auszufüllen. Sobald die entsprechenden Anreize und Signale gesetzt werden, ergibt sich doch alles von selbst. Solange Frau Ministerin allerdings nur die Wünsche ihrer weiblichen Klientel erfüllt und von den Männern bloß verlangt, dabei gefälligst mitzuspielen, kann ja nichts werden aus einer Familienpolitik, die allen gerecht wird.
ARNE HOFFMANN, Springen
[...] Die Argumente, warum die neuen Väter nicht so recht gedeihen wollen, treffen für mich nicht den Kern der Dinge. Sie schreiben, die Mütter könnten von ihren Lütten nicht lassen, das Hoheitsgebiet nicht freigeben; Männer könnten sich nicht verändern, solange ihnen die Finanzmittel fehlten, und zu guter Letzt ist die Politik schuld, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Natürlich ist das nicht ganz falsch. Aber auf den Kern der Dinge kommen Sie leider nicht zu sprechen: Im Unterschied zu den Frauen und Müttern fehlt den Väter-Männern der Leidensdruck. Nicht dass sie ihn nicht hätten, so i. d. R. ganz tief verborgen, aber die meisten spüren ihn nicht. Und aufgrund des Arbeits- und Leistungsdrucks können diese väterlichen Notzeiten auch gut zugeschüttet werden. Außerdem regeln’s die Mütter ja sowieso irgendwie.
Oder glauben Sie, dass die Frauenbewegung vor 30 Jahren durch Finanzmittel und Politik von oben erwacht ist? Sie greifen in die falsche Klamottenkiste, wenn Sie nur „die anderen“ für die fehlende Umkehr der Väter verantwortlich machen, die staatlichen Programme oder gar die Gleichstellungspolitik beschuldigen. [...] Und deshalb kann nur eine Kombination von Überzeugung, gesetzlichem und ökonomischem Druck die Beteiligten zu einer Veränderung bewegen. [...] REGINA MEYER
Ich kann Herrn Gesterkamps Enttäuschung verstehen. In den zwei Jahren seit dem offenen Brief an Ministerin Bergmann mit der Forderung, Männern „Wege aus ihrer eindimensionalen Ausrichtung auf die Erwerbsarbeit“ zu öffnen, ist noch nicht allzu viel passiert. Es ist eben unendlich schwer, traditionelle Rollenvorstellungen aus den Köpfen zu verbannen und durch neue Denkmuster zu ersetzen. Doch die Verantwortung dafür tragen Frauen und Männer gleichermaßen. [...]
Jetzt schon über den Erfolg der Bundeskampagne zu urteilen, halte ich für verfrüht. Das größte Handicap auf dem Weg zum Erfolg wird wohl darin bestehen, dass sie von einem Ministerium ausgeht, das die Belange von Männern gar nicht erst im Titel führt. Dennoch – die deutsche Männerbewegung wird immer größer, die Zahl der Männer- und Väterorganisationen, der Jungengruppen und der Männerforschungsprojekte steigt. [...] Nicht den destruktiven Opferfeminismus der letzten Jahre sollten sich die Männer zum Vorbild nehmen, wenn sie die zunehmende Diskriminierung von Männern wahrnehmen und öffentlich machen, sondern selbstbewusst nach vorne schauen und ihren Anteil an der Macht im Kinderzimmer ebenso einfordern wie die Beteiligung der Frauen an der finanziellen Verantwortung für das Wirtschaftsunternehmen „Familie“. [...]
BEATRIX PASTOORS, Halver
Es gibt viele pauschale Unterstellungen gegen Männer. Wenn ein Mann diesem Klischee nicht entspricht, vielleicht gar Anteil an den guten, typisch weiblichen (?) Eigenschaften hat, wird es schwierig. Von „echten Männern“ wird er verachtet, weil er ein solcher nicht ist. Und von manchen kämpfenden Frauen wird ihm unterstellt, eben ein Mann zu sein. Ich bin gespannt, welche wütenden Reaktionen auf den oben genannten Beitrag von Thomas Gesterkamp folgen. HELMUT SCHUBERT, Hamburg
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