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Andere Länder, andere Fritten

Wahre Lokale (67): „Snoopy’s Bar“ in Playa Blanca auf der Kanareninsel Lanzarote

Richtig spannend wird es, wenn eine deutsche Mannschaft gegen eine englische spielt

Schon der allererste Besuch war außergewöhnlich: „You look you need a beer“, lachte der Wirt in fast korrektem Englisch und klopfte mir strahlend auf den Bauch. Erschöpft von den Strapazen des Urlauberdaseins und von der Mittagssonne völlig durchgeschwitzt, konnte ich ein Bier jetzt am allerwenigsten gebrauchen. Schon das erste würde mich umbringen. „Yes please, a big one.“

Das große Bier kommt inzwischen auch ohne Bestellung, und selbst das Nachfüllen geht automatisch. Man kann hier stundenlang sitzen, die Gegend genießen und die Fähren beobachten, die unten am Hafen ablegen und zur Nachbarinsel Fuerteventura fahren. Meist aber wird daraus nichts: Snoopy hat eine Schüssel. Und drei Fernseher, sechs Lautsprecherboxen. Jedes halbwegs interessante Fußballspiel wird übertragen, die WM-Qualifikation und alles aus der britischen Liga. Das Lokal liegt in einer Gegend, die bei englischen Touristenfamilien beliebt ist, die mit plärrenden Kleinkindern nach Lanzarote reisen und sich in der Nähe billige Appartments mieten. Die Deutschen residieren meist woanders, zwar auch mit lärmenden Kindern, aber vorwiegend mit Halbpension in den Luxusschuppen weiter draußen. Das britische Ghetto hat etwas Anheimelndes, morbides und erinnert an Orte wie Brighton. Und Snoopy’s Kneipe liegt mittendrin.

Pasqual Moya, der Wirt, stammt vom spanischen Festland, aus der Gegend von La Mancha. Er betreibt das Lokal schon seit vierzehn Jahren, und alle nennen ihn und seine Kneipe nur deshalb Snoopy, weil Charles M. Schulz den kleinen Hund just im März 58 erfand. Und da wurde auch Moya geboren. Seit er die Fernseher hat, brummt der Laden. Irgendein Spiel läuft immer, egal auf welchem Kanal und zu welcher Uhrzeit. Die Kreidetafel auf der Terrasse schafft den Überblick. Um drei spielt Arsenal gegen die Hotspurs – ein spannendes Lokalderby, bei dem man die kanarische Sonne leicht vergisst. In aufregenden Spielszenen sind Lautsprecher und dem Familienleben entflohene britische Familienväter und Söhne so laut, dass die nur wenige Schritte entfernte Brandung locker übertönt wird. Wenn Beckham im Spiel gegen Finnland ein Tor schießt und ein weiteres vorbereitet, ist er plötzlich wieder ein Good Guy – nachdem zuvor alle kräftig über ihn herzogen.

Deutsche verirren sich eher selten hierher. Aber das ist auch kein Problem – dafür sorgt schon das Arrangement der Fernseher: Das Lokal ist in drei kleine Zonen aufgeteilt, von außen nach innen, und in jeder steht ein TV. Die äußere Zone, das ist die Sonnenterrasse mit Rolldach, klappbaren Plastikscheiben, grünen Plastikstühlen und -tischen. Dort laufen ausschließlich englische Spiele. Die mittlere Zone bildet die mit Plastikblumen geschmückte, wetterfeste Veranda. Ebenfalls britischer Fußball – es sei denn, es sind deutsche Gäste anwesend. Richtig spannend wird’s, wenn eine deutsche Mannschaft gegen eine englische spielt. Wie etwa kürzlich Bayern München gegen Manchester United in der Champions League.

Aber sowas gibt’s nur selten, und wenn, dann mit spanischem Kommentar. In der zentralen Zone ist es etwas eng. Die kleine Theke, ein paar Tische, die Küche. Angenehm chaotisch, aber der Wirt hat offenbar alles im Griff. Er kümmert sich blitzschnell um jeden Gast, redet ein paar Worte, macht Witze. Pasqual Moya hat ein Elefantengedächtnis. Er kennt jeden, der mehr als zweimal da war, merkt sich Vorlieben und Gewohnheiten seiner Gäste. Café solo doble?

Der Fernseher im Inneren ist der kleinste von allen. Alles spanisch: Fußball, Filme, Nachrichten. Hier treffen sich ein paar Einheimische aus der Umgebung, in der Pause oder zum Feierabend. Tapas oder Tortillas jedoch gibt es nicht. Stattdessen: Hamburger, Cheeseburger, Baked Beans, Sausages, Toast – und schon am Geruch zu erkennen: die unvermeidlichen Chips. Zwar sind auch leckere Avocados mit frischen Gambas im Angebot, aber das wird nur von versnobten Deutschen verlangt. Und wenn am Nachbartisch einer sitzt, der sich Essig auf die Pommes kippt, dann ist klar: Ja, das ist ein Engländer! Gemütlich ist es hier – und es ist nicht nur das Guinness vom Fass, das mich immer wieder herlockt. Und wer mal in der Gegend ist: „Snoopy’s Bar“ ist leicht zu finden. Einfach kurz vor der Hafenmole rechts auf die Promenade abbiegen, und nach ein paar Schritten die Stufen hinauf. Nicht zu übersehen. DIETER GRÖNLING

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