: „Plan nicht so verwegen“
„Zeitungspirat“ Michael Zäh sucht neue Geldgeber. Denn die tägliche Ausgabe der „zus“ ist nur vorübergehend eingestellt, die Vision von der „Zweiten Zeitung für Freiburg“ bleibt. Ein Gespräch
Bis Ende Juni war die Existenz von „Deutschlands jüngster Tageszeitung“ ( zus- Eigenwerbung) angeblich gesichert. Ein neues Abo-Konzept, das neben dem bloßen Druckwerk Candlelight-Dinners, Freibier und Kinokarten umfasste, sollte im Raum Freiburg bis zu 15.000 Kunden anziehen. Mitgeliefert wurde auch ein radikal neues Lay-out und das gute Gefühl, im bisherigen Monopolgebiet der Badischen Zeitung endlich etwas Auswahl zu haben. Doch seit Ostern erscheint nur noch die seit drei Jahren etablierte große Schwester der zus, die kostenlose Zeitung zum Sonntag . Und 51 Prozent der Firma gehört jetzt dem Offenburger Verleger Peter Reiff.
taz: Ende März hieß es noch, neue Investoren seien mit rund zwei Millionen Mark bei der zus eingestiegen – das Aus kommt nicht ganz unerwartet, aber doch recht plötzlich
Michael Zäh: Die Gelder sind tatsächlich geflossen. Mit Reiff-Medien haben wir auch ein Traditionshaus als Partner gefunden, das dafür sorgt, dass die Zeitung zum Sonntag zu 100 Prozent auf der sicheren Seite ist. Mein Problem war nur: Sollte ich das Geld verwenden, um bis zum 30. 6. in großer Eile die Tageszeitung umzubauen? Oder soll ich es dazu verwenden, um hier alles zu stabilisieren, zwar jetzt die Zeitung einstellen, dann aber in Ruhe und mit Konzentration das ganze Ding von neuem aufbauen?
Sie leisten sich also nur eine „Atempause ...“?
So ist es, zumindest von meinem Willen her. Wir geben den Kampf nicht auf. Aber es ist geschickter, jetzt nicht auf Teufel komm raus das Projekt Tageszeitung durchsetzen zu wollen, sondern die Erfahrung zu nutzen, um ein neues, tragfähigeres Finanzmodell auf die Beine zu stellen.
Schuld am plötzlichen Ende ist die schlechte Abo-Entwicklung. 6.000 hatten Sie bereits zum Start im Januar, wie viele mehr sind es denn geworden?
Laut unserere Marktanalyse gab es kurzfristig rund 10.000 weitere Interessenten, aber real sind nur rund 700 Neuabos hinzugekommen. Wir hatten im Idealfall mit 1.500 gerechnet – der Plan war also nicht so verwegen.
Die z us, so heißt es in Freiburg, sei einfach nicht angekommen ...
Und dafür müssen wir selbst die Verantwortung übernehmen. Die Zuschriften zeigen, dass die Zeitung in ihrem Auftreten befremdet hat. Das Ungewöhnliche der zus, alles, was gegen die üblichen Lesegewohnheiten der Leute platziert werden sollte, hat befremdet. Ich persönlich fand sie ziemlich gut, der Redaktion muss ich ein großes Kompliment machen, zumal wir auch ein paar Leute zu wenig waren.
Immerhin hat die Redaktion rund 35 Mitarbeiter. Was wird jetzt aus ihnen?
Wir haben in allen Ressorts über diverse Möglichkeiten gesprochen. Einige junge Leute wollen ohnehin etwas Neues versuchen. Über Teilzeitarbeit bei der Zeitung zum Sonntag haben wir prinzipiell die Möglichkeit, alle Restlichen zu halten, wenn die Mitarbeiter ihre Stellen teilen und daneben frei arbeiten. Denn die meisten wollen unbedingt weiter machen.
Schon vor dieser akuten Krise war von Gehaltsverzicht der Redaktion die Rede ...
Stimmt, das habe ich dann aber nicht gemacht. Natürlich hätte das Geld gespart. Nur: Auch dann hätte ich nicht gewährleisten können, dass es nach dem 30. 6. weitergegangen wäre. Damit hätten die Leute geblutet für eine Sache, und ich hätte dafür nicht geradestehen können.
Welche Rolle hier spielt die Badische Zeitung? In der zus haben Sie deutliche Vorwürfe erhoben.
Es ist schon richtig, es gab konkrete Vorfälle. Andererseits: Was erwartete man? Ich habe versucht und will auch weiterhin versuchen, in einem Monopolmarkt eine zweite Zeitung zu etablieren. In gewisser Hinsicht ist es natürlich legitim, mit allen Mitteln dagegen zu arbeiten. Dass hinter den Kulissen unsere Investoren angesprochen wurden, man versucht hat, Partner von uns loszueisen, mit Abmahnungen gearbeitet wurde, das sind eigentlich normale Geschäftsmechanismen, die ich moralisch beklagen will. Nur: Dass viel z. B. über Abmahnvereine lief, die ja dazu da sind, den eigentlichen Beschwerdeführer anonym zu halten, ärgert mich. Denn wir wissen durch unsere Kontakte und Anwälte, dass die Badische Zeitung – sagen wir mal – nicht ganz unbeteiligt war. Aber das ist ja auch klar. Das Einzige, was mich ein bisschen stört, ist, dass man es nicht offen tut. Das verstehe ich zwar auch, weil sie vom Image her immer so dastehen wollen: „Wir haben mit alldem nichts zu tun, wir waschen die Hände in Unschuld.“ Und dass man im Wettbewerb mit harten Bandagen kämpft, ist okay. Man sollte aber die Klage offen führen und nicht verdeckt. Aber, wie gesagt, Schwamm drüber.
Wie geht es jetzt konkret weiter? Wird Ihr nächstes Projekt wieder kostenpflichtig, oder setzen Sie – zum Beispiel zusammen mit anderen Partnern wie Schibsted – wieder auf Gratis-Zeitungen?
Zunächst ist es doch so: Es könnte mir gelingen, dem eigentlich geplanten Modell „Zweite Tageszeitung für Freiburg“ mit neuen Investoren ein tragfähiges Grundgerüst zu geben. Wir haben jetzt schon 6.700 Abonnenten. Denen möchte ich beweisen, dass wir das, was wir ihnen versprochen haben, auch liefern können. Die Gespräche laufen, und dafür muss ich mir Zeit nehmen. Es kann sein, dass wir schon im Herbst den zweiten Anlauf unternehmen. Ob mir das gelingt oder ob es im Zuge solcher Verhandlungen in eine ganz andere Richtung weiter geht, kann ich natürlich schwer voraussagen. Ohne Investoren klappt’s aber nicht.
INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG
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