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Es müssen nicht mehr alle arbeiten

betr.: „Schröder: Faule! Arbeiten!“, taz vom 7. 4. 01 u. a.

Die eigentlichen „Faulen“ sind doch diejenigen, die durch ihre Arbeit Geld verdienen: Wie sonst ist es zu erklären, dass genau diese Menschen sich darüber beschweren, dass – unter anderem – die Ökosteuer endlich ihre Lenkungswirkung entfaltet?! Sie sind zu faul, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren (50 Prozent aller Arbeitnehmer haben weniger als zehn Kilometer Pendelstrecke). Und/oder sie sind zu faul, sich Gedanken darüber zu machen, ob und wie sie denn anders als mit dem Auto mobil sein können, und ihren Lebensstil zu ändern.

[...] Die gesamte Diskussion um die Arbeitslosigkeit greift doch viel zu kurz: Sollten wir uns nicht endlich darüber klar werden, dass unsere jahrtausendelangen Bemühungen, Maschinen zur Arbeitserleichterung zu erfinden, inzwischen erfolgreich waren? Wir haben es geschafft: Es müssen nicht mehr alle arbeiten! Wir sollten stolz darauf sein, dass wir es uns leisten können, einem Teil der Bevölkerung einen Freiraum gewähren zu können, der ihm – unabhängig von Erwerbsarbeit – die Möglichkeit bietet, etwas Sinnvolles für sich selbst und die Mitwelt zu tun.

[...] Ich stelle mir eine Gesellschaft vor, in der alle eine soziale Grundsicherung als Sockelbetrag bekommen. Die Idee ist nicht neu, und das Hauptproblem ist, die Höhe exakt so zu bemessen, dass man zwar davon leben kann, aber nicht der Versuchung erliegt, sich komplett auf die faule Haut zu legen. In dieser Gesellschaft gibt es dann drei Gruppen von Menschen: Diejenigen, die mehr Luxus wollen, als die Grundsicherung erlaubt, gehen einer Erwerbsarbeit nach. Diejenigen, die mit der Grundsicherung zufrieden sind, tun sinnvolle Dinge: vom Müllsammeln im Wald über den Besuch politischer Zirkel bis hin zur Entwicklung von Projekten und Firmengründungen. Und die dritte Gruppe, quasi als Bindeglied, hilft denen und motiviert diejenigen, die von Glotze und Pils alleine nicht wegkommen. [...]

TOBIAS ENKE, Bielefeld

[...] Zugegeben, es gibt einige arbeitssuchende Menschen, die aufgegeben haben, sich dem Stress und dem Frust der Arbeitssuche weiterhin auszusetzen. Das ist aber keine Grund, alle arbeitssuchenden Menschen pauschal zu verurteilen.

Oft erlebe ich, dass behördliche Entscheidungen und Inkompetenz, aber auch unklare Anforderungsprofile der Arbeitgeber die berufliche Weiterbildung von arbeitssuchenden Menschen behindern. Der Hauptgrund für die Arbeitslosenquote ist aber noch immer das mangelnde Angebot von Arbeitsplätzen. [...]

RALF KUKE, Erfurt

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