: Endstation Leben statt Sterbehilfe
■ Leben statt Sterben mit Hilfe: Zwar sind für den Fall der Fälle fast 60 Prozent der Bundesbürger für aktive Sterbehilfe, in Bremen setzt sich dagegen eher der Hospizgedanke durch
Holland ist weit weg. „Gut so“, sagen unisono die Bremer Hospizvereine. Von der aktiven Sterbehilfe, die im Nachbarland gerade eben legalisiert wurde, wollen sie hier nichts wissen. Trotzdem werden die Sterbebegleiter danach gefragt. „Hin und wieder kommt das vor“, dass sich unheilbar Kranke wünschen ihr Ende selbst zu bestimmen, sagt zum Beispiel Petra Wilken vom Bremer Hospiz-Verein.
Aber Bremen ist nicht Holland. Vier Hospizvereine stehen hier im Telefonbuch – mit dem gleichen Angebot, dem gleichen Ziel: „Würdevolle Begleitung“, auch Nachtwachen bei den Sterbenden zuhause oder im Heim. Nur eins lehnen sie alle ab: aktive Sterbehilfe.
40 bis 60 Ehrenamtliche hat jeder der Vereine in Kursen für die Hospizarbeit geschult. Inzwischen arbeiten sie eng zusammen. „Wer im Moment mehr Begleitung hat, fragt bei den anderen nach. Dann springen die ein“, erklärt Harald Reinhardt von der Hospizhilfe.
„Die meisten, die sich aktive Sterbehilfe wünschen, haben Angst vor unerträglichen Schmerzen und vor dem Alleinsein“, weiß seine Kollegin Wilken. „Wenn wir denen klar machen, dass wir sie nicht allein lassen, dass sie Medikamente gegen Schmerzen kriegen, lassen viele davon ab“, ist auch die Erfahrung von Mechthild Schöller-Stindt, zweite Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz in Bremen. Sie will mit guter Hospiz-Arbeit der aktiven Sterbehilfe entgegen arbeiten.
„Dabei ist der Großteil der Deutschen inzwischen für aktive Sterbehilfe“, weiß ihr Kontrahent Karlheinz Wichmann, Ur-Bremer und überzeugter Anhänger der holländischen Regelung. Seit fünf Jahren ist Wichmann Präsident bei der deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS). Laut Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der DGHS finden 60 Prozent der BundesbürgerInnen die gesetzlichen Regelungen in den Niederlanden gut. 75 Prozent sind sogar dafür, dass die Sterbehilfe in Deutschland gesetzlich geregelt werden müsste. Den meisten Zuspruch gab es von Konfessionslosen. Je religiöser die Menschen , desto „weniger waren bereit Gott ins Handwerk zu pfuschen“, meint Wichmann, der zufrieden feststellt, dass „der Otto-Normalverbraucher eben doch ganz anderer Meinung ist als Politiker und Kirchen“.
Hoch ist im Moment auch der Zuspruch zur DGHS. Jeden Monat zählt Wichmann zwischen 100 bis 150 neue Mitglieder bei der DGHS, die „wenn es ihnen mal ganz schlecht gehen soll, nicht den Göttern in Weiß ausgeliefert sein wollen“. 40.0000 Mitglieder hat die Gesellschaft bundesweit. Auf Wunsch können sie – via eine Schwestergesellschaft – auch Informationen zum Freitod an ihre Mitglieder weiterleiten. Wichmann spricht lieber von „Selbst-Erlösung“. Denn nicht bei allen Krankheiten schlage die Schmerztherapie an. „Bei einem Darmdurchbruch oder Hirntumor nützt auch Morphium nichts mehr. Die Menschen haben fürchterliche Schmerzen“, so Wichmann.
Die Debatte um aktive Sterbehilfe schlägt aber inzwischen auch in Bremen Wellen. „Durch die öffentliche Diskussion scheint es, als ob bestimmte Barrieren abgesenkt werden“, stellt Schöller-Stint vom Landesverband fest. Mehr Anfragen zählt auch das Büro der Hospizhilfe: Vier bis sechs sind es inzwischen am Tag, weiß Reinhardt. „Irgendwann ab 50 merken die Leute, das kommt auf sie zu. Das müssen sie regeln“, erklärt Reinhardt.
Die meisten AnruferInnen fragen vor allem nach einer Patientenverfügung. Mit dem Schriftstück, kann man ebenso Vertrauenspersonen festlegen, wie dass man keine lebenserhaltenden oder -verlängernden Maßnahmen wünscht. Zum Beispiel keine Herz-Lungenmaschine. Für die Hospizler ist das so was wie eine „passive Sterbehilfe“. pipe
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