: Trauer ohne Fugen
Robin Proper-Sheppard zieht im Roten Salon einsam umherirrende Gitarren dem Wall of Sound von Metal vor
Inzwischen hat es sich herumgesprochen: Leise Töne sind wieder angesagt, so zu klingen wie Simon & Garfunkel in ihren Anfangstagen gilt sogar als extrem erstrebenswert. Sich schlecht fühlen und das auch noch mit der Gitarre in der Hand der bösen Welt da draußen mitzuteilen, scheint zurzeit der wahre Trend zu sein – wer gute Songs schreibt, hat im Moment sogar fast bessere Karten als jemand, der einfach nur gut Platten auflegt.
Der Hauptgrund für die Rückkehr des Songwritertums liegt sicherlich darin, dass ansonsten musikalisch nicht allzu viel geboten wird. Die elektronische Musik befindet sich in einem Innovationsloch, und auch 2-Step scheint sich still und leise wieder durch die Hintertür der öffentlichen Wahrnehmung verabschiedet zu haben. Und auch im Bereich Rock tut sich nichts Aufregendes: Nu Metal klingt immer gleich, und die ewig vor der MTV-Kamera Bier trinkenden Rüpeljungs von Limp Bizkit oder Crazy Town tun zwar alles, um subversiv, böse und rebellisch zu sein, bleiben aber trotz aller Anstrengungen recht blass dabei. Kein Wunder, dass man sich lieber wieder zurückhält und es aufregender ist, nachdenklich zu klingen.
Einer, den man beinahe schon den Vater der neuen Rückzugsbewegung nennen könnte, ist Robin Proper-Sheppard. Anfang der Neunziger hatte er eine Band, die nannte sich God Machine und galt für viele als Rettung für den tot daniederliegenden Metal. God Machine bratzten nicht einfach und hatten mit Motörhead oder AC/DC gar nichts zu tun. Sie verkunsteten das Genre eher, ohne dabei jedoch bei unnötigem Pathos oder Bachs Fugentechnik zu landen. Auf zwei viel gelobte Platten brachten es God Machine, doch dann starb deren Bassist, der für Proper-Sheppard zu allem Überfluss nicht bloß ein Bandmitglied, sondern ein allerbester Freund war. Danach war kein Weitermachen mehr möglich, die Band wurde aufgelöst und alles wurde ganz anders.
Proper-Sheppard nannte sich Sophia und kehrte unter diesem Namen mit tieftrauriger und sensibler Gitarrenmusik zurück. Zwei Platten gibt es von Sophia, in beiden geht es um die Verarbeitung von Schmerz, um Trauer, den Tod, die Liebe, die wirklich elementaren Dinge des Lebens. Der erste Song auf seiner inzwischen drei Jahre alten letzten Platte heißt beispielsweise „Directionless“. Darin kreist Proper-Sheppards Stimme ständig um die Textzeile „I’m losing my direction“. Es gibt endlich wieder neue Aufnahmen von Sophia, doch diese sind noch nicht im Handel erhältlich. Freunde und Fans können sie auf der aktuellen Akustik-Tour von Sophia nach dem Konzert erstehen.
Es scheint so, als ob Proper-Sheppard immer noch keinen Drang verspüren würde, groß zurück in die Öffentlichkeit zu treten. Er macht seine wunderbare Popmusik wohl nur deswegen, weil er immer wieder mit ihr seinen Verlustschmerz verarbeiten muss. ANDREAS HARTMANN
Robin Proper-Sheppard spielt heute ab 22 Uhr im Roten Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
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