: Vorwärts ins 19. Jahrhundert
Expertenkommission will keinen originalgetreuen Wiederaufbau des Stadtschlosses. Vorstellungen zur Nutzung aber sind altbacken: Beim Hearing dominiert Idee einer musealen Bildungslandschaft
von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Einen originalen Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses wird es nach Meinung von Hannes Swoboda nicht geben. Der Vorsitzende der Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ betonte auf der gestrigen Sitzung der internationalen Fachrunde, dass eine Nachbildung des 1950 von der DDR gesprengten Schlüterbaus den Ansprüchen moderner Nutzung und der Geschichte des Ortes nicht genügen werde. Die Kommission werde in ihrem Abschlussbericht an den Bund und das Land zum Ende des Jahres „die klare Empfehlung“ geben, dass ein Wiederaufbau in Teilen mit modernen Mitteln realisiert werden müsse. Zugleich beriet die Kommission gestern auf ihrem ersten öffentlichen Hearing zukünftige Konzepte für die Nutzung des Schlossplatzes. Einstimmigkeit unter den Referenten herrschte darin, den Standort für Kunst und Kultur, mit Museen, Bibliotheken sowie für internationale europäische Institutionen auszubauen.
Nach Ansicht von Swoboda ist eine „Replik im Maßstab eins zu eins“ darum „hinfällig“, da ein Schloss mit seinen historischen Raumfolgen für zukünftige Nutzungen nicht geeignet sei. Die Unterbringung etwa von kulturellen Einrichtungen, „aber auch Nutzungen, die in zehn Jahren wichtig werden“, benötigten nicht allein eine „hochflexible“ Architektur. Ein Neubau müsse auch den technischen Anforderungen unserer Zeit Rechnung tragen, so Swoboda.
Während der Vorsitzende der „Gesellschaft zum Wiederaufbau des Stadtschlosses“, Wolfgang Harms, dem widersprach, ließ Swoboda keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Forderungen: „Jeder, auch der Schlossfreund, wird davon ausgehen müssen, dass dort etwas Neues und Spannendes entstehen muss“, so der Kommissionsvorsitzende. Selbst wenn Teile des Schlosses rekonstruiert werden sollten, sei es erforderlich, dass in der Gestaltung „etwas Zukünftiges zum Ausdruck“ komme.
Weit entfernt von den Utopien des 21. Jahrhunderts dagegen scheint sich die Kommission in der Frage der späteren Nutzung zu bewegen, plädierten doch die geladenen Referenten fast einhellig für eine öffentliche, aber recht altbacken kulturelle Dimension des Schlossplatzes. So soll der Ort nach Ansicht von Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen, außer mit den Sammlungen der Antike, der Alten Meister und des 19. Jahrhunderts mit den Exponaten der außereuropäischen Kulturen zur „globalen Bildungslandschaft in der Mitte Berlins“ ausgebaut werden.
Ebenfalls am Schlossplatz will auch die Humboldt-Universität Präsenz zeigen. Die Lehr- und wissenschaftliche Sammlung der Uni eigne sich ebenfalls für den „lebendigen Platz des Wisses“, sagte Jürgen Mlynek, Präsident der Humboldt-Universität. Last, but not least reihte sich Claudia Lux, Chefin der Landesbibliothek, in das „Kulturzentrum Schlossplatz“ ein: Neben Museum und Universität müssten dort die Bestände der Berliner Bibliothek untergebracht werden.
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