China steht wieder nicht am Pranger

In der UNO-Menschenrechtskommission in Genf scheitert wie jedes Jahr erneut eine kritische Resolution

GENF taz ■ Das erneute Scheitern einer chinakritischen Resolution in der UNO-Menschenrechtskommission in Genf ist in Peking auf große Genugtuung gestoßen, bei Menschenrechtsorganisationen allerdings auf scharfe Kritik. Beschlossen wurden von der Kommission Anträge zur Verurteilung Kubas, Iraks, Birmas sowie des Taliban-Regimes in Afghanistan.

Zum zehnten Mal in Folge seit 1992 fand am Mittwochabend ein Geschäftsordnungsantrag Pekings auf Nichtbefassung einer – von den USA eingebrachten – chinakritischen Resolution eine Mehrheit unter den 53 Kommissionsmitgliedern: 23 Staaten stimmten dafür, 17 dagegen – darunter die EU-Länder – und 12 enthielten sich der Stimme. „Gestärkt durch dieses Votum, kann China seine Unterdrückung grundlegender Freiheiten ohne internationale Konsequenzen fortsetzen“, kritisierte die neben amnesty international größte internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) am Donnerstag das Abstimmungsergebnis. Das Außenministerium in Peking reagierte hingegen zollte all jenen Ländern „Dank und Bewunderung“, die durch ihre Stimmabgabe eine Diskussion und Abstimmung des US-amerikanischen Resolutionsantrags verhindert hatten. Die USA versuchten, „sich unter dem Vorwand der Menschenrechte in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen und sein Ansehen in der Welt zu schädigen“ erklärte eine Regierungssprecherin in Peking.

China ist das einzige Mitgliedsland der UNO-Kommission, das zu Instrumenten der Geschäftsordnung greift, um eine kritische Befassung mit seiner Menschenrechtspolitik zu verhindern und dafür zudem regelmäßig eine Mehrheit mobilisieren kann. Die anderen asiatischen Mitglieder der Kommission trauen sich ohnehin nicht, der größten Macht ihrer Region politisch in die Quere zu kommen. Die afrikanischen Länder sind zu arm, um die dringend benötigte Wirtschaftshilfe aus China durch Widerspruch gegen Peking beim Thema Menschenrechte zu gefährden.

Lediglich die Lateinamerikaner gelten aus Pekings Sicht als unsichere Kantonisten, die im Vorfeld der UNO-Kommissionssitzungen jeweils besonderer diplomatischer Zuwendung bedürfen. In diesem Jahr besuchte Chinas Staatspräsident Jiang Zemin in der ersten Aprilhälfte alle fünf lateinamerikanischen Mitglieder der UNO-Kommisison und stellte durch diverse politische und wirtschaftliche Zusagen ihr chinafreundliches Abstimmungsverhalten sicher.

Einen derartigen Einfluss können Länder wie Birma, Irak, Kuba oder das afghanische Taliban-Regime nicht zur Geltung bringen. Sie wurden wegen diverser Menschenrechtsverstöße von der UNO-Kommission verurteilt: im Konsens (Birma, Taliban), mit großer Mehrheit (Irak) oder im Falle Kuba sehr knapp mit 22 gegen 20 Stimmen und unter lautstarkem Protest Russlands. Eingebracht wurde die im Hintergrund aktiv von den USA vorangetriebene Kuba-Resolution von Tschechien. Ihre ursprüngliche Absicht, in den Resolutionstext auch eine Kritik am US-Wirtschaftsembargo gegen Kuba und seinen negativen Auswirkungen für die Verwirklichung sozialer und wirtschaftlicher Menschenrechte aufzunehmen, ließ die Regierung in Prag unter massivem Druck aus Washington wieder fallen. ANDREAS ZUMACH