Ufos zu Armreifen

■ Auch Gallensteine, Schnullis oder schlichtes Trümmerwerk können eine Zier sein. Das beweist eine Schmuckausstellung im Wilhelm Wagenfeld Haus, die ab heute zu sehen ist

Vier Gallensteine hintereinander, das ist kein Anzeichen für gesundheitliche Probleme, aber dennoch ansteckend – wenn es sich um ein Schmuckstück handelt. Verbunden mit vergoldetem Messing und Edelstahl, nennt sich die sieben Zentimeter lange Brosche „Trageanleitung für Gallensteine“. Zusammen mit Stücken 62 anderer Goldschmiede aus 17 Ländern ist sie anlässlich der Ausstellung „Schmuck 2001 –Avantgarde im neuen Jahrtausend“ ab heute im Wilhelm Wagenfeld Haus zu besichtigen.

„Wir sind durch Zufall im Archiv auf Schmuckkollektionen von Wilhelm Wagenfeld aus den 20er und 30er Jahren gestoßen“, so Beate Manske, Geschäftsführerin der Wilhelm Wagenfeld-Stiftung auf einer Pressekonferenz. Anlass für sie, die „Sonderschau Schmuck“, die seit 1959 im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse in München stattfindet, erstmals nach Bremen zu holen.

Zu sehen sind neben Skizzen von Anhängern, Broschen und Ringen des Bauhaus-Schülers die unterschiedlichsten Kunstwerke: Von amüsant bis skurril, von filigran bis klobig. Da gibt es spindeldürre Ringe, verziert mit Granaten, die von kürzerer Lebensdauer zu sein scheinen als ein Himbeereis in der Sonne. „Fast schon an der Grenze der Tragbarkeit“, kommentiert Peter Nickel von der Handwerkskammer München. Wortwörtlich gemeint trifft dies sicherlich eher auf den Trümmerschmuck zu. Die Objekte aus Eisen und Gold wirken auf den Betrachter so ungeeignet zum Tragen, wie eine Boulekugel zum Tennisspielen. „Mit diesem Schmuck wird gegen die Ästhetik rebelliert, nicht die Schönheit der Dinge, sondern ihr kraftvoller Ausdruck stehen im Vordergrund“, so Nickel. Schließlich sei Avantgarde ja auch etwas, was sich vom Alten trenne und ins Neue stürme.

Manchmal wird dennoch auf Traditionelles zurückgegriffen. Zumindest auf Bekanntes. So wie bei der Brosche aus heller Wolle, die nicht nur pinke Glassperlen sondern auch zwei rot lackierte Fingernägeln zieren. Für den passenden Finger gibt es in einer anderen Vitrine bunte Ringe in Blütenform aus Dentalkunststoff. Form und Material sind keine Grenzen gesetzt. Von einem allgemeinen Trend könne nicht gesprochen werden. „Im Vergleich zu vor zehn Jahren gibt es heutzutage eine starke Auseinandersetzung mit der Ästhetik von Kunststoffen und der Verfeinerung handwerklicher Techniken“, stellt Peter Nickel fest.

Damit setzte sich auch Christiane Förster auseinander. Sie erfand eine Technik mit sich überkreuzenden Schlingen haarfeiner Silberdrähte, die miteinander verschweißt sind. „Die Oberfläche ihrer Kunstwerke wirkt damit wie eine Erdoberfläche, weckt gleichzeitig aber auch Assoziationen an Textilien wie Netzgewebe“, lobt Nickel. Einfach für sich steht dagegen das „Unbekannte Flugobjekt aus der Vergangenheit.“ Das aus Holz und Silber gefertigte UFO hat einen Untertellerdurchmesser von circa 18 Zentimetern und ist als schmückendes Beiwerk dem Arm zugedacht.

„Unerhört frech“ findet Nickel eine Halskette von Iris Bodemer. Neben wertvolle Perlen ein Stück Gummischlauch zu setzen, sei schon gewagt. Aber: „Das Geflecht der Inspirationsquellen ist groß“, so Nickel weiter. „Klassik konfrontiert sich mit Experiment, Kunst mit Handwerk und Design, und immer wieder ist ein Rückgriff auf das Archaische, auf einfache ausdruckstarke Urformen festzustellen.“

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„Schmuck 2001 – Avantgarde im neuen Jahrtausend“ ist noch bis zum 12. August im Wilhelm Wagenfeld Haus zu sehen.