: Das Reförmchen zwischen den Stühlen
Interview mit dem bildungspolitischen GEW-Sprecher Gerd Köhler zur Reform des Dienstrechts an den Hochschulen
taz: Wie stehen die Chancen für eine umfassende Reform?
Gerd Köhler: Im Hickhack zwischen Bund und Ländern scheinen die überschaubaren Reformvorschläge der Expertenkommission „klein gemacht“ zu werden. Die Pläne der Bundesregierung haben den Protest der konservativen Hochschullehrermehrheit provoziert, aber auch die Hoffnungen der reformwilligen Gewerkschaften enttäuscht. Der geplanten Reform fehlen die Träger. Dabei sind Strukturveränderungen überfällig: Die Doktorandenförderung ist wenig attraktiv, weil die materielle Absicherung nicht ausreicht. Jüngere WissenschaftlerInnen erhalten zu spät die Möglichkeit zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit. Das im Hochschulrahmengesetz geregelte Zeitvertragsunwesen stellt die Kontinuität und damit die Qualität von Forschung und Lehre infrage. Die Besoldungsregelungen für die Professoren sind zu starr.
Ende März haben über 3.000 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter in einer Anzeige in der FAZ gegen die Dienstrechtsreform protestiert.
Hinter den vier FAZ-Seiten stecken viele altbekannte Köpfe mit noch älteren Bedenken. Ihnen passen die Vorschläge zur Abschaffung der Habilitation genauso wenig wie die leistungsorientierte Neuordnung der Professorenbesoldung. Was diesen konservativen Kritikern fehlt, sind Konzepte.
Wird der professorale Protest Auswirkungen auf den Fortgang der Dienstrechtsreform haben?
Ich befürchte, dass die Oppositionsparteien diesen Aufschrei nutzen werden, um die überfälligen Reformen weiter zu verzögern. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Regierungspläne weiter verwässert werden. Das macht die Mobilisierung der Reformer nicht leichter.
Neben diesem Aufschrei von konservativer Seite gab es auch von gewerkschaftlicher Seite Kritik an der angestrebten Dienstrechtsreform. Was sind die Hauptanliegen der GEW?
Die Forschungsarbeit von Doktoranden soll durch Beschäftigungsverhältnisse materiell abgesichert und durch bessere Betreuung attraktiver gemacht werden. Durch die Einführung von tarifvertraglich geregelten Juniorprofessuren sollen jüngere WissenschaftlerInnen frühzeitiger die Möglichkeit zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit erhalten. Darüber hinaus muss die 5-Jahres-Frist für ProjektmitarbeiterInnen im Bereich der Drittmittelforschung aufgehoben werden, weil sie die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen gegenüber Forschungsinstituten einschränkt, individuelle Wissenschaftskarrieren verbaut und die Abwanderung ins Ausland beschleunigt.
Wie kann die Qualität wissenschaftlicher Arbeit langfristig gesichert werden?
Es müssen mehr „Funktionsstellen“ eingerichtet werden, auf denen dauerhaft wissenschaftliche Arbeit geleistet werden kann. Die Reform der Professorenbesoldung soll es guten Fachhochschullehrern ermöglichen, die Besoldungsstufen zu erreichen, die bislang Uni-Professoren vorbehalten sind. Insgesamt kritisiert die GEW, dass ein Gesamtkonzept für die Personalstruktur, für die Arbeitsteilung in den Wissenschafteinrichtungen fehlt. Die Chance des Generationenwechsels für Strukturreformen darf nicht durch halbe Sachen vertan werden.
Welches weiter reichende Konzept hat denn die GEW?
Das GEW-Konzept „Wissenschaft als Beruf“ sieht vor, dass es in den Hochschulen und Forschungseinrichtungen zwischen Professoren und wissenschaftlichem Nachwuchs eine Gruppe von Angestellten geben soll, die Wissenschaft als Beruf betreiben. Diese Gruppe muss in Lehre und Forschung der Institute und Fachbereiche fest eingebunden werden. Der Großbetrieb Wissenschaft wird ohne solche Funktionsstellen genauso wenig auskommen wie ohne ein hoch qualifiziertes und motiviertes technisches und administratives Personal. Auf diese Probleme und Vorschläge geht der Regierungsentwurf – zumindest bislang – nicht ein. Ich befürchte, dass dies ein Grund für sein Scheitern sein wird.
INTERVIEW: PETER NOWAK
Infos: www.gew.de
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