: Nachbeben in der CDU
■ Unions-Abgeordneter verlässt Partei und Fraktion. Krach im Kreis Harburg
Aus Protest gegen „Beziehungsgeflechte in der CDU“ hat der Abgeordnete Rolf-Rüdiger Forst gestern, unmittelbar nach dem Wahlparteitag der Union am Sonnabend, seinen Austritt aus der CDU erklärt. Damit schrumpft die Fraktion auf 45 Abgeordnete, angesichts der rot-grünen Mehrheit (70 von 121 Mandaten) jedoch kein wirkliches Problem. Forst will sein Bürgerschaftsmandat bis zum Ende der Wahlperiode im September als Unabhängiger „weiterhin verantwortungsbewusst wahrnehmen“. CDU-Fraktionssprecher Hein von Schassen „bedauert diesen Schritt“ und fordert den 54-Jährigen auf, „sein Mandat zurückzugeben“.
Forst lehnt dies „wegen schwerer menschlicher Verletzungen“ ab, die er erlitten habe. Bei der Kandidatenkür in seinem Ortsverein Lokstedt war der Fachbereichsleiter beim Roten Kreuz im März gescheitert, weil er „einer Intrige zum Opfer gefallen“ sei. Der taz bestätigte Forst gestern, dass er kürzlich Kontakt mit der Schill-Partei gesucht hatte, „um dort die Mitte zu stärken“. Er habe davon zwar wieder „Abstand genommen“, findet aber nichts dabei: „Ole von Beust flirtet doch ganz offen mit Schill.“
Harburger Bezirkspolitiker zeigten sich gestern „überrascht“ über das schlechte Abschneiden ihrer Kandidaten. „Offensichtlich zielt Hamburg auf einen Affront gegen Harburg“, sagte der Bezirksabgeordnete Werner Ballauf der taz.
Für Aufsehen sorgte besonders das Scheitern der Harburger Spitzen-Leute. Der für den Bürgerschafts-Listenplatz 21 vorgesehene Kreisvorsitzende Andreas Kühn musste dem Bürgerschaftsabgeordneten Carsten Lüdemann weichen. Und der Spitzenkandidat für die Bezirksversammlung, Ralf-Dieter Fischer, unterlag in einer Kampfkandidatur gegen Helga Stöver vom Ortsverein Harburg Mitte.
Stöver und Lüdemann waren von der Kreis-CDU nicht aufgestellt worden. Stöver hatte sich mit dem Vorstand überworfen, Lüdemann angeblich zu wenig in Harburg sehen lassen. Dass sich Stöver bei der Nominierung auf Landesebene durchsetzte, dürfte an Ralf-Dieter Fischer liegen. Dieser brachte die Partei gegen sich auf, indem er die 1997er Nominierung anfocht. Damals hatte ihn Lüdemann von der Kandidatenliste für die Bürgerschaft verdrängt. smv/knö
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