: rückblick
Abgeriegelte Kieze 1987 und 1997/98
Die Polizei verfügt über eine jahrelange Erfahrung bei der Absperrung ganzer Kieze. Diese Strategie wurde erstmals 1987 anlässlich des Berlin-Besuchs des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan durchgeführt. Rund 10.000 Polizisten riegelten am 12. Juni den Kreuzberger Szenekiez SO 36 für mehrere Stunden ab, die U-Bahn-Linien 1 und 8 stellten ihren Betrieb vorübergehend ein. Zehntausende Einwohner des Bezirks wurden in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt. Die Polizei wollte mit der Abriegelung verhindern, dass mehrere tausend Kreuzberger Autonome zu einer Anti-Reagan-Demo in die Westberliner Innenstadt gelangen konnten. Zu der geplanten Demo kamen nur mehrere hundert Teilnehmer – und auch diese wurden stundenlang eingekesselt. Schon am Abend zuvor war es in der Innenstadt zu heftigen Krawallen gekommen.
Mitte der 90er-Jahre kopierte die Polizei das Konzept während der Nächte zum 1. Mai in Prenzlauer Berg. 1995 waren die bis dahin friedlichen Feiern zur Walpurgisnacht auf dem Kollwitzplatz nach dem Eingreifen der Polizei erstmals in einer stundenlangen Straßenschlacht geendet. 1997 und 98 unterdrückte sie jeglichen Ansatz zu erneuten Feiern, indem sie den Kiez rund um den Kollwitzplatz jeweils bereits ab dem 30. April bis in die Morgenstunden des 2. Mai weiträumig und komplett absperrte. Nur Anwohner wurden nach Ausweiskontrollen durchgelassen.
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