: Merz gegen Ostsperre
Unionsfraktionschef hält 7-jähriges Arbeitsverbot nach der EU-Osterweiterung nicht für geboten
HANNOVER ap ■ Unions-Fraktionschef Friedrich Merz hat sich gegen den Vorstoß von Kanzler Gerhard Schröder gewandt, Osteuropäern nach einem EU-Beitritt den Zugang zum Arbeitsmarkt bis zu sieben Jahre zu verwehren. Merz sagte der Neuen Presse: „Ich bin dagegen, dass man grundsätzlich Freizügigkeit in der EU für Beitrittskandidaten auf sieben Jahre ausschließt. Da wird man sehr viel stärker differenzieren müssen, auch nach Branchen.“ Nach seiner Ansicht werden auf dem deutschen Arbeitsmarkt Kräfte aus osteuropäischen Ländern früher gebraucht, „weil unser Arbeitsmarkt solche Kräfte nicht bietet“.
Als weitaus übertrieben kritisierte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW, Klaus Zimmermann, die Prognose von Kollegen, wonach sich vier bis sechs Millionen Menschen aus den EU-Beitrittsländern eine Arbeit in Deutschland suchen würden. Dies hatte die Welt am Sonntag unter Berufung auf das Münchner ifo-Institut und das Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) berichtet, dessen Chef ebenfalls Zimmermann ist. Im ifo-Gutachten seien die Zahlen des IZA falsch wiedergegeben, kritisierte Zimmermann. „Derart mangelnde Sorgfalt ist ungewöhnlich.“ Seltsam finde er zudem das zeitliche Zusammentreffen zwischen dem Bericht und der Vorstellung der CSU-Position zur Einwanderungspolitik. Das IZA habe bereits 1999 in einem Gutachten das Zuwanderungspotenzial aus Osteuropa auf zwei bis drei Millionen Menschen prognostiziert, allerdings bezogen auf 15 Jahre.
Der Präsident des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs, Thomas Straubhaar, sagte: „Wer jetzt Prognosen für Deutschland im Jahr 2020 von uns erwartet, der hat nicht begriffen, dass wir dann einen europäischen Arbeitsmarkt von 60 bis 70 Millionen zusätzlichen Arbeitskräften haben, die nach Deutschland kommen können, wann immer sie wollen.“
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