Eine Wundertüte ohne Wunder

Brasilien spielt gegen Peru nur 1:1 und muss sich nun wirklich ernsthaft um die WM-Teilnahme sorgen

SÃO PAULO taz ■ Der Beifall zur Begrüßung kam nur zaghaft von den Rängen des Morumbi-Stadions in São Paulo, als die brasilianische Fußballnationalmannschaft am Mittwochabend zum WM-Qualifikationsspiel gegen Peru einlief. Das lag nicht nur an der durchaus üblichen Zurückhaltung des Publikums in São Paulo bei Länderspielen, sondern mindestens ebenso sehr am von der ganzen Nation als blamabel empfundenen 0:1 im letzten Ausscheidungsspiel in Ecuador. Allzu großer Jubel durfte da nun wirklich nicht erwartet werden vom fußballverrückten Volk.

Immerhin: Brasiliens Nationaltrainer Emerson Leao hatte auf die erste Niederlage vor Monatsfrist gegen die noch nie bei einer WM vertretenen Ecuadorianer reagiert – und gegen Peru gleich die Hälfte der Mannschaft umgekrempelt. Vor allem die Legionäre aus Europa traf sein Bannstrahl, Rivaldo, Roberto Carlos und Cafu gönnte Leao erst einmal eine schöpferische Pause, von den hier zu Lande tätigen Brasilianern standen somit nur noch Edmilson (Lyon), Vampeta (Paris) und Lúcio (Leverkusen) im Aufgebot. Zum Ausgleich hatte der Nationaltrainer gleich drei Neulinge ins Team berufen, auch der große Rest der Mannschaft stellte selbst für die brasilianischen Fußballexperten ein weit gehend unbeschriebenes Blatt dar. Das hatte Leao naturgemäß schon Tage vor dem Spiel mächtig in die Kritik gebracht, heftig hatten sich die brasilianischen Zeitungen schon im Vorfeld auf den Nationalcoach eingeschossen.

Die Entscheidung, drei Spieler von Corinthians ins Aufgebot zu berufen, besaß ja auch durchaus eine pikante Note: Der derzeit erfolgreiche Club aus São Paulo wird ausgerechnet von Leaos Vorgänger Wanderley Luxemburgo trainiert. Und selbst Ricardo Teixeira, Präsident des brasilianischen Fußballverbandes, reiste eigens an, um seinem Trainer den Rücken zu stärken. Dieser zog sich mit seiner Truppe zwecks Vorbereitung auf die 70 Kilometer von São Paulo entfernte Fazenda eines Freundes zurück. Da neben Torwart Rogerio auch etliche weitere Spieler aus São Paulo kamen, war das Match für die meisten der brasilianischen Kicker ein Heimspiel. Für Romario hingegen stellte es eine Premiere dar: Mag der 35-Jährige inklusive Fußball-WM schon so ziemlich alles gewonnen haben, was es zu gewinnen gibt, so spielte er am Mittwoch doch zum ersten Mal mit der Nationalmannschaft im Morumbi-Stadion.

Ob er im Spiel gegen Peru vielleicht wegen dieser mangelnden Ortskenntnis so oft im Abseits stand? Es wird wohl sein Geheimnis bleiben, was zumindest 78 Minuten lang aber kaum als allzu tragisch empfunden wurde. Sein Soll nämlich erfüllte Romario, mit seinem Tor in der 68. Minute knackte er das Abwehrbollwerk der vor allem auf Konter eingerichteten Peruaner zum ersten, leider für Brasilien aber auch zum einzigen Mal.

Zu diesem Zeitpunkt hatte, nach einer eher schwächeren halben Stunde, alles gar nicht so schlecht ausgesehen für die Neuen aus Leaos Wundertüte, wie der Trainer seine Aufstellung im Vorfeld selbst bezeichnet hatte. Chancen über Chancen hatten sie sich erspielt, und auf der Tribüne war bereits die Rede davon, dass Brasilien sich mit dem gerade zustande kommenden Sieg an Paraguay vorbei auf den zweiten Platz der Qualifikationstabelle schieben würde, dann nur noch Argentinien vor sich habend. Doch dann kam die 78. Minute und mit ihr der Peruaner Pajuelo, der den Ball zum 1:1 ins brasilianische Tornetz drosch – und damit alle allzu verfrühten Rechenspiele zunichte machte. Denn Brasiliens zweite Garnitur hatte nicht das Potenzial, sich von diesem Schock zu erholen. Nach dem 1:1 belegt die „Selecao“ mit 21 Punkten nur noch Rang vier unter zehn – und derzeit damit den letzten Platz, der noch direkt für die WM qualifizieren würde. STEFAN KUNZMANN