Kalter Krieg in heißer Phase

US-Präsident Bush provoziert eine schwere Krise in den US-chinesischen Beziehungen. Seine Ankündigung, Taiwan im Falle eines Angriffs beizustehen, ist für Peking eine „offene Provokation“

PEKING taz ■ Mao glaubte, Politik käme aus Gewehrläufen. Doch manchmal wiegen Worte schwerer als Waffen. Das muss US-Präsident George Bush, ohnehin Mao nicht zugetan, gewusst haben. Denn auch die größte US-Waffenlieferung an Taiwan seit zehn Jahren, die der Präsident diese Woche verkündete, hat nicht die Bedeutung des einen, kleinen Satzes, den Bush jetzt im Fernsehen sagte: Die USA würden tun, „was immer es braucht, damit Taiwan sich verteidigen kann“.

Zwar rief Bush kurz darauf Taiwan auf, sich nicht offiziell für unabhängig zu erklären und damit eine für diesen Fall von China angekündigte Attacke zu riskieren. Doch damit kann der Schaden im chinesisch-amerikanischen Verhältnis nicht mehr behoben werden: Zum ersten Mal seit der Anerkennung der Volksrepublik China durch die USA im Jahr 1972 hat sich ein US-Präsident ohne Einschränkungen zur Verteidigung Taiwans bereit erklärt.

Eine Sprecherin des Pekinger Außenministeriums nannte Bushs Äußerung gestern „eine offene Provokation“ und sprach von einem „gefährlichen Weg“. Taiwan sei ein Teil Chinas und „kein Protektorat eines ausländischen Staates“. Bushs Verpflichtungserklärung bedeute, dass „amerikanische Soldaten ihr Blut für Taiwans Unabhängigkeit vergießen würden“, kommentierte gestern Yan Xuetong, außenpolitischer Experte der Tsinghua-Universität in Peking, gegenüber der taz.

China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz. Taiwan aber hat sich in den letzten Jahren politisch immer weiter vom Festland abgesetzt. Peking fürchtet zudem eine stärkere Einbindung der Insel ins Verteidigungssystem der USA. In Washington wird derzeit laut überlegt, Taiwan in ein regionales Raketenabwehrsystem mit einzubeziehen.

So wurden gestern scharfe Reaktionen der Pekinger Führung erwartet. Peking könnte die Zusammenarbeit bei der Nichtweiterverbreitung von Raketentechnologie aufkündigen. Schon zuvor hatte das Pekinger Außenministerium den Austritt Chinas aus dem Atomwaffensperrvertrag in weiteren Krisen nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Ausschließen möchte Peking, dass sich der Konflikt auf Europa ausweitet. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums äußerte gestern seine „hohe Wertschätzung“ dafür, dass Deutschland und die Niederlande keine Unterseeboote an Taiwan liefern wollen, wie es die USA nahe legten. GEORG BLUME

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