: Wer kennt die Völker, nennt die Namen?
■ Auch beim 1:1 in Mainz trifft sich halb Deutschland in der Gästekurve, um St. Pauli anzufeuern
Im Süden der Republik hat sich in den vergangenen Jahren Erstaunliches zugetragen. Während Vereine wie der VfB Stuttgart über rasanten Zuschauerschwund klagen, unterstützen immer mehr Südstaatler die Hamburger Clubs. Bei Gastspielen des HSV im Süden kommen ganze Busse mit den abs-trusesten Kennzeichen, um Unterstützung heranzufahren. Und wenn der FC St. Pauli im Süden aufschlägt, setzen sich Völkerwanderungen in Bewegung.
So kommt es, dass im Gästeblock – beim Spiel in Mannheim waren unter 1500 Fans allenfalls 100 Norddeutsche – schon auffällt, wer des Schwäbischen oder Hessischen nicht mächtig ist. Während sich am Sonnabend in Mainz die immerhin acht Fan-Busse aus Hamburg langsam leerten, begrüßten „die Würzburger“ schon mal Juri aus Wetzlar, bevor Lothar aus Saarbrücken „die Göttinger“ sichtete.
Dem proppevollen Gästeblock bot sich in den ersten Spielminuten jedoch ein trauriger Anblick. Den etwa 2000 St.-Pauli-SympathisantInnen wurde angst und bange, als es den flinken Mainzer Außen ein ums andere Mal gelang, die Hamburger Innenverteidigung zu düpieren. Besonders André Trulsen merkte man sein Alter bei jeder Bewegung an. Den katastrophalen Gesamteindruck konnte er allerdings schon in der siebten Minute relativieren, als er einen Schuss von Christian Hock von der Linie kratzte.
St. Pauli hatte offenbar nicht mit einem derart offensiven Gegner gerechnet und ließ jegliches spielerische Konzept vermissen. Dennoch gab es in der 23. Minute die Führung zu bestaunen: Nachdem Dimo Wache einen Freistoß von Markus Lotter nur abklatschen konnte, erzielte Thomas Meggle nach Strafraum-Gestocher seinen 14. Saisontreffer: „Shalalala“ vermeldet das Handy eines hessischen St. Pauli-Fans: Lars aus Marburg hatte Videotext geschaut und freute sich per SMS. Wäre er im Stadion gewesen, hätte er in den kommenden zwanzig Minuten die stärkste Phase des FC gesehen, bevor die viertklassigen Cheerleader des drittklassigen SV Wehen in der Halbzeit für Erheiterung sorgten.
In der 77. Minute wurde dann die Übermacht der Rheinhessen in der 2. Hälfte belohnt: Per Hackentrick erzielte Samuel Ipoua das 1:1. Schließlich blieb es bei dem einen Gegentreffer, was aber nur Torwart Heinz Weber zu verdanken war, der mehrmals bravourös auf der Linie klärte. Trainer Dietmar Demuth, auf Anfragen zum Aufstieg inzwischen recht dünnhäutig reagierend, fand daher am Ende, „dass wir mit dem einen Punkt ganz gut über die Runden gekommen sind“.
Da waren die Fanbusse aus Hamburg schon auf dem Rückweg gen Norden. Dabei hatten sie ein Transparent mitgebracht, das auch von vielen Mainzer Fans beklatscht wurde: „Gott hat uns nicht den Fußball geschenkt, damit das Fernsehen damit Gewinne macht.“ Es gibt eben universelle Wahrheiten, die man, abgesehen vom Dialekt, in Würzburg genauso versteht wie in Hamburg. Christoph Ruf
Mainz: Wache, Nikolic, Schwarz, Bodog, Skrinjar, Babatz (74. Woronin), Kramny, Ziemer, Hock (86. Kinkel), Thurk, Demandt (46.Ipoua)
St. Pauli: Weber, Stanislawski, Trulsen, Scheinhardt, Bajramovic, Meggle, Lotter, Kolinger, Bürger, Patschinski (78. Baris), Konetzke (64. Klasnic)
Tore: 0:1 Meggle (23.), 1:1 Ipoua (77)
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