piwik no script img

Mitleid zu Wucherpreisen

■ Geschäfte mit Behinderten: Elbe-Werkstätten in Harburg will Anzeige gegen „Stefan's Versandhandel“ erstatten

Eine Dame ruft bei „Gardinen Peters“ in Harburg an und versucht ein Geschäft mit dem guten Herzen des Ladeninhabers: Sie sei von den Elbe-Werkstätten, die Behinderten hätten schon seit Ostern keine Aufträge mehr, er könne daran etwas ändern, wenn er etwas kaufe. Er lässt sich eine Preisliste faxen. Auf der steht aber nichts mehr von Elbe-Werkstätten, sondern als Absender „Werkstätten“ und „Stefan's Versandhandel für körperlich behinderte Menschen“. Vor allem aber finden sich Produkte zu Luxus-Preisen: Über zwei Mark für die Rolle Klopapier, knapp 15 Mark fürs Geschirrhandtuch.

Peters kommt das komisch vor, er fragt bei den Elbe-Werkstätten nach. Ergebnis: Die erstatten nun Anzeige wegen unlauteren Wettbewerbs und wegen Betruges. So erzählt es Geschäftsführer Bodo Schümann und sagt: „Unsere Einrichtung ist gemeinnützig, wir leben davon, dass unsere Geschäftspartner uns als seriös kennen. Wir leisten einen hohen Beitrag zur Integration Behinderter.“ Das alles werde konterkariert. Denn würden sie, so wie „Stefan's Versandhandel“ das Sechsfache ladenüblicher Preise verlangen, „würde man uns doch für Betrüger und Utopisten halten“. Außerdem sei es ein Skandal, Behinderte für betrügerische Zwecke zu missbrauchen und „es beleidigt diese Menschen zutiefst, denn wir arbeiten hochqualifiziert und marktgerecht“. Mit Aufträgen seien sie im übrigen gut eingedeckt.

Es komme immer wieder vor, dass Bürger Drückerkolonnen aufsäßen, die ihnen an der Haustür beispielsweise Besen zu Wucherpreisen verkauften und behaupteten, die kämen von den Elbe-Werkstätten. „Wir verkaufen grundsätzlich nicht an der Tür“, versichert Schümann. Möbel und Keramiken könnte man entweder bei ihnen direkt oder an Verkaufsständen bei Basaren kaufen. „Und wir arbeiten für Auftraggeber.“ So packen die Mitarbeiter der Elbe-Werkstätten die Verbandkästen für Mercedes.

„Stefan's Versandhandel“ sieht die Sache anders: Ein Herr Dikhoff, nach eigenen Angaben „die rechte Hand vom Chef“, schließt aus, dass sich jemand aus seinem Betrieb unter falschem Namen melden würde. Ihre Produkte würden von Behinderten verpackt, weshalb sie eben eine „Werkstatt“ seien. san

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen