: Planet W: Stadtteil sucht Perspektive
Auf einer Zukunftskonferenz werden Ideen für Wilhelmsburg entwickelt ■ Von Gernot Knödler
Wer sich wehrt, wird erhört. Ein gutes halbes Jahr nachdem ein breites Bündnis in Wilhelmsburg die Bildung einer Sonderkommission zur Rettung des Stadtteils gefordert hat, tagt am Freitag und Sonnabend eine Zukunftskonferenz mit BürgerInnen, VertreterInnen von Initiativen und Projekten, der Verbände, Politik und Verwaltung. Im Bürgerhaus sollen sie Perspektiven für den gebeutelten Stadtteil entwickeln, die dann in Arbeitsgruppen bis Anfang 2002 vertieft werden sollen.
Den Auftrag, eine Zukunftskonferenz zu veranstalten, erteilte die Bürgerschaft im Dezember vor dem Hintergrund der Kampfhund-Attacke auf den Schuljungen Vol-kan und dem Dreifach-Mord, bei dem ein Mann seine Freundin und zwei ihrer Töchter erschossen hatte. Das böse Wort von der „Bronx“ Hamburgs machte die Runde. Die Wilhelmsburger nutzten es öffentlichkeitswirksam für sich. Sie schufen einen Runden Tisch als überparteiliches Zweckbündnis, das die Stadt zum Handeln bewegen sollte.
Obwohl der Stadtteil mit seinen 46.000 EinwohnerInnen bereits seit den 80er Jahren als Problemstadtteil gilt, hat sich wenig getan. 1999 hatte die Elbinsel knapp 13 Prozent SozialhilfeempfängerInnen und knapp 12 Prozent Arbeitslose – in ganz Hamburg waren es gut sieben beziehungsweise knapp acht Prozent. Auch der AusländerInnen-Anteil lag mit 34 Prozent mehr als doppelt so hoch als im Durchschnitt.
Die Leute vom Runden Tisch hoffen jetzt, dass das Niemandsland zwischen Hamburg und Harburg dauerhaft in den Blick der Politik gerät. Manuel Humburg von der Bürgerinitiative „Forum Wilhelmsburg“ wendet sich deshalb auch dagegen, auf der Zukunftskonferenz über Einzelprojekte zu sprechen. Stattdessen müsse es um „gründliche Bestandsaufnahme und Analyse gehen“. Es müssten Grundsatzentscheidungen getroffen werden, „damit die Insel zukunftsfähig wird“. Der Senat, so Humburg, müsse sich endlich da-rüber klar werden, was er mit dem Stadtteil vorhabe.
An Ideen mangelt es nicht: So proklamierte Dieter Läpple von der TU Harburg 1998, Hamburgs Zukunft liege im Süden, „in dem Entwicklungskorridor zwischen Speicherstadt und dem Harburger Binnenhafen“. Auf den schwach genutzten Hafenflächen in diesem Gebiet sollten Wohnungen und nicht hafengebundene Betriebe entstehen. Auf lange Sicht würden auf diese Weise Hamburg und Harburg zusammenwachsen. Gleichzeitig würden die Reize der eng mit dem Wasser verbundenen Elbinsel Menschen und Firmen im Stadtstaat halten.
Die Chance, eine solche Entwicklung anzustoßen, bietet sich mit der Bewerbung Hamburgs für die Internationale Gartenbau-Ausstellung (IGA) 2013 in Wilhelmsburg. Der Senat sieht in ihr die Chance, Wilhelmsburg „vom Transitstadtteil zum Zielort für Besucher“ zu machen, Betriebe anzusiedeln, das Image des Stadtteils zu verbessern und seiner Zerschneidung durch Verkehrsachsen zu begegnen.
Mit der Ausweisung eines Gewerbegebiets für Airbus-Zulieferer am Reiherstieg hat der Senat Mitte April einen ersten Schritt getan. Ein anderes Projekt macht vielen WilhelmsburgerInnen allerdings Sorgen: die Hafenquerspange, eine auf Stelzen gestellte Autobahn, die parallel zur Köhlbrandbrücke und zum Veddeler Damm die Autobahnen sieben und eins verbinden soll. Sie würde die Insel erst recht von Hamburg abschneiden fürchten die einen. Die anderen wollen die Piste bloß möglichst weit von den Wohngebieten weg haben. Sie hoffen auf eine „ergebnisoffene“ Diskussion mit der Baubehörde.
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