: Ein Schwarzer stellt die Ampel auf Rot
Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Ferdi Breidbach organisiert die Proteste gegen den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld
Die Gegner des neuen Berliner Großflughafens sind fleißig, professionell – und sie haben einen eigenen Humor: „Mensch, Stolpi, früher kanntest du die Bananen doch nur aus dem Westfernsehen!“, sagt ein lachender Eberhard Diepgen auf ihrer Internetseite zu Manfred Stolpe. „Klar, Ebi, aber heute haben wir unsere eigene Bananenrepublik!“
Der Berliner und der Brandenburger Regierungschef verstehen sich also blendend, nur die Gegener des für die Region wichtigsten Infrastrukturprojektes fühlen sich und ihre Interessen missverstanden. Deswegen haben sie nicht nur mehr als 130.000 Einwendungen gegen das Projekt im Südosten der Hauptstadt vorgebracht, die Häuschenbauer aus dem Speckgürtel haben auch einen Verein gegründet mit allem Drum und dran: Vorsitzender, Geschäftsführer, Stellvertreter, Schatzmeister, Beisitzer, Pressesprecher, Homepage.
Schon aus ihrem Namen spricht das Selbstbewusstsein: Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB) nennen sich die Gegner des Flughafens Schönefeld, die als DDR-Bürger noch vor 15 Jahren glücklich gewesen wären, von hier Richtung Mallorca, Teneriffa oder Kreta abheben zu können. Genau andersherum der Name des bekämpften Projektes: Berlin-Brandenburg International (BBI) – die pure Arroganz der Haupstadt. Und die will sich draußen „in der Republik“ keiner mehr bieten lassen.
4.000 zahlende und 300 aktive Mitglieder hat der straff organisierte Verein bereits, täglich werden es mehr. Mittlerweile existieren 18 Ortsgruppen. In Orten, die in Ostdeutschland als Ausnahmeerscheinung gelten dürfen: ihnen geht es ausgesprochen gut. Die Arbeitslosigkeit liegt deutlich unter dem Durchschnitt, mehr oder weniger wohlhabende Ost- und Westberliner Familien haben sich hier ihren Traum vom eigenen Heim im Grünen erfüllt, sorgen für volle Kassen und Klassen. Eine real blühende Landschaft, die bedroht ist: von lärmenden Überkontinentalfliegern und dem Zubringerverkehr.
Dabei haben die Gegner des Flughafens gar nichts gegen die Fliegerei einzuwenden – nur den Standort halten sie für falsch. „Das unterscheidet uns von den Grünen“, sagt der BVBB-Geschäftsführer und ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Ferdi Breidbach. Ganz uneigennützig handeln die Flughafengegner natürlich nicht. „Einflugschneisen sind überall soziale Brachen.“ Schon jetzt hätten viele Grundstücke der betroffenen Gemeinden die Hälfte ihres Wertes verloren.
Auch Breidbach hat sich vor ein paar Jahren ein Gründstück in Diedersdorf gekauft – kurz bevor der so genannte Konsensbeschluss gefällt wurde. 1996 einigten sich die Bundesländer Berlin und Brandenburg sowie der Bund auf Schönefeld als künftigen Standort für den Haupstadtflughafen. „Der ist denkbar ungeeignet“, meint Breidbach. Rund 70.000 Menschen seien direkt betroffen. Dabei gäbe es Alternativen auf der grünen Wiese: etwa im brandenburgischen Sperenberg oder im sachsen-anhaltischen Stendal. Breidbach ist vor zwei Jahren Bürgermeister seiner Heimatgemeinde geworden ist. „Da kann ich mehr machen.“ Er ist sich sicher, das Projekt noch zu verhindern: auf politischem oder juristischem Wege. „Schönefeld kann an einer Einzeleinwendung scheitern“, hofft Breidbach. Die Hauptknackpunkte im Planungsverfahren seien noch unklar, „aber wir haben gute Anwälte“.
Aber nicht nur. Die Brandenburger Vorstadtaktivisten – ein Großteil von ihnen stammt aus den alten Bundesländern – kennen mittlerweile auch das Protestrepertoire der Bürgerinitiativen. Am Wochenende soll es eine Menschenkette geben; vor einiger Zeit haben sie eine Bundesstraße blockiert – ganz legal. An einer Fußgängerampel mit Selbstauslöser leuchtete für Autofahrer dauerrot, weil die Flughafengegner ständig die Straße querten. Die Polizei sei ganz verdutzt gewesen, sagt Breidbach, der froh ist, dass bei den Aktionen „noch keine Chaoten gekommen sind.“ Verdutzt seien auch die ostdeutschen Aktivisten gewesen, berichtet der gebürtige Rheinländer. „Die haben noch eine große Angst vor der Obrigkeit.“ Aber das ändere sich. Im Speckgürtel scheint sich die deutsche Einheit zu vollenden: im Protest gegen den Flughafen.
RICHARD ROTHER
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