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„Nicht die Realität verwischen“

Trotz des 0:2 gegen Weißrussland haben die deutschen Eishockeyspieler die Chance, vielleicht schon heute gegen Italien den Weg zum WM-Viertelfinale zu ebnen, doch Bundestrainer Hans Zach weiß nicht recht, was er davon halten soll

aus Hannover MATTI LIESKE

Wäre Hans Zach nicht Eishockeytrainer, dann hätte er nach Abschluss der Vorrunde bei der Weltmeisterschaft wohl gestrahlt wie ein mittlerer Castor-Transport. Die Angehörigen seiner Zunft neigen jedoch traditionsgemäß eher zur Bärbeißigkeit, und Zach, der ehemalige Metzgermeister, hat es besonders weit gebracht in dieser Disziplin. Also schaute er am Mittwoch so finster drein, als habe er gerade die Nachricht von einem weltweiten Eishockeyverbot bekommen. Und als er sich niederließ zur Pressekonferenz und ein Getränk zu sich nehmen wollte, zerbarst das gewählte Glas in seinen Händen.

Mit 0:2 hatte das deutsche Eishockeyteam vor 10.513 Zuschauern in der Preussag-Arena in Hannover sein letztes Match der Gruppe A gegen Weißrussland verloren, aber das konnte nicht der Grund sein für Zachs Düsternis. Qualifiziert für Runde zwei war die Mannschaft sowieso, und da die Weißrussen schon für die Abstiegsrunde feststanden, hätten gewonnene Punkte auch nicht mitgenommen werden können. Zudem boten die deutschen Kufenkeuler trotz der Niederlage eine gute Leistung und haben heute abend gegen Italien bereits die Chance, den nötigen Sieg zum Einzug ins Viertelfinale zu holen. Sollte das schief gehen, gibt es noch zwei weitere Versuche, am Samstag gegen Kanada und am Dienstag gegen Russland. Keine Spaziergänge, zweifellos, aber wie sagte Verteidiger Erich Goldmann doch so treffend: „Wir haben gezeigt, dass gegen jeden was drin sein kann.“ Das 3:1 gegen die Schweiz und das 2:2 gegen Titelverteidiger Tschechien, neben Kanada die nominell beste Mannschaft des Turniers, verliehen Mut und Selbstbewusstsein.

Wenn es einen Grund gibt für Hans Zachs galoppierende Miesepetrigkeit, dann ist es die Erklärungsnot, in die ihn die begeisternden Auftritte seiner jungen Mannschaft gebracht haben. Seit Jahren beklagt der Bundestrainer die desolate Situation im deutschen Eishockey, die dem Nachwuchs jede Entwicklungsmöglichkeit raube. Noch vor der WM hatte er überall herumposaunt, dass alles andere als der Abstieg dem achten Weltwunder gleich käme. In dieses Szenario passen die starken Spiele von Köln und Hannover ganz und gar nicht hinein. Auf der anderen Seite ist Zach aber auch zum Platzen stolz auf seine „kernigen Burschen“, und so vollführt er einen verbalen Eiertanz, wie ihn nicht einmal Kanzler Schröder in seinen opportunistischsten Momenten hinbekommen würde.

„Wir haben gegen die drei läuferisch stärksten Teams dieses Turniers mitgehalten, auch in technischer Hinsicht“, schwelgt er begeistert, um dann gleich anzufügen: „Die guten Ergebnisse können nicht die Realität verwischen.“ Er jubiliert, dass es „sehr schnell ging, wieder nach oben zu kommen“, hält es im nächsten Atemzug aber für„sehr wahrscheinlich“, dass es in Zukunft wieder abwärts geht. Seinem Assistenztrainer Ernst Höfner spendet er hohes Lob, „weil er im Nachwuchsbereich sehr schnell sehr viel bewirkt hat“, und warnt dann sofort, dass alles bestimmt ganz anders aussähe, wenn man nicht im eigenen Land spielen würde, „sondern zur WM nach Finnland oder Schweden reisen“ müsste. Er räumt ein, die gezeigten Leistungen nie für möglich gehalten zu haben, und mahnt umgehend, man dürfe sich von Anfangserfolgen nicht blenden lassen und hätte alle Matches gut verlieren können. „Im Eishockey“, doziert Zach, „muss man hinnehmen, dass man, auch wenn man gut spielt, nicht immer gewinnt.“

Vor allem die Qualität der Torhüter entscheidet über manches Match, die Weißrussen zum Beispiel gewannen gegen Deutschland, weil ihr Keeper Fatikow „einfach alles gehalten hat“ (Erich Goldmann). Daher gilt den Torhütern auch das besondere Augenmerk von Zach. Christian Künast, der ebenso wie Robert Müller bisher eine gute Figur machte, hat in der letzten Saison ganze vier Einsätze bei den München Barons vorzuweisen. Zach will, dass ab 2004 nur noch deutsche Keeper in der DEL spielen dürfen, eine Reaktion habe er auf diesen Vorstoß bisher nicht erhalten. Ebenso würde er den DEL-Gesellschaftern gern erklären, „wie die Situation im deutschen Eishockey ist“ und dass es für die Klubs sinnvoller wäre, talentierte deutsche Spieler aufzubauen, als mittelmäßige Auswärtige teuer einzukaufen. So wie er selbst es als Trainer der Kassel Huskies und in der Nationalmannschaft vormacht. „Junge Leute rücken nach, weil wir sie spielen lassen und sie Verantwortung tragen dürfen“, gibt er sein Erfolgsrezept preis. Die DEL-Bosse hätten jedoch bisher kein Interesse an einer Unterredung gezeigt.

Und inmitten aller Rage über derartige Ignoranz entdeckt er endlich die goldene Formel, welche die scheußliche Lage der Dinge mit den erfreulichen WM-Erfolgen in Einklang bringt. „Was ich machen kann, ist, in der misslichsten Situation des deutschen Eishockeys positiv zu wirken.“ Anders ausgedrückt: Die Lage ist zwar verheerend, aber zum Glück gibt es mich.

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