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Geöffnete Gräber

Serbische Zeitungen berichten über Vertuschungen von Morden im Kosovo und fordern die Untersuchung und Bestrafung der Verantwortlichen

BELGRAD/BERLIN dpa/taz ■ Unabhängige serbische Medien haben gestern ausführlich über den Vertuschungsversuch eines Kriegsverbrechens im Kosovo berichtet. Etwa 50 getötete Zivilisten seien Anfang Mai 1999 in einem Kühlwagen vom Kosovo aus in die Donaustadt Kladovo, etwa 200 Kilometer östlich von Belgrad, gebracht und in der Donau versenkt worden.

Fischer hätten den versunkenen Lkw zufällig gefunden und die Polizei benachrichtigt, berichtete die lokale private Zeitung Timocka krimi-revija. Der Lastwagen wurde geborgen, die Leichen in einen anderen Lkw umgeladen und mit unbekanntem Ziel weggebracht. Aus Belgrad herbeigeeilte Beamte erklärten den Fall zum Staatsgeheimnis, schreibt die Belgrader Zeitung Danas. Die Zeitungen verlangen die Untersuchung der Ereignisse und die Bestrafung der Verantwortlichen.

Schon am Montag hatte das private Belgrader Menschenrechtszentrum (FHP) die serbischen Justiz- und Staatsbehörden aufgerufen, Berichte über die Vernichtung von Beweisen zu Kriegsverbrechen im Kosovo zu überprüfen. Es gebe ernst zu nehmende Indizien, dass während der Nato-Luftangriffe vor zwei Jahren jugoslawische Sicherheitskräfte mit der Beseitigung der Leichen und anderer Beweise ihrer Kriegsverbrechen, verübt an kosovo-albanischen Zivilisten, beschäftigt waren.

Zwischen März und Juni 1999 sollen die Leichen von mindestens 800 getöteten Albanern von den Mordstellen in unbekannte Massengräber im Kosovo und Serbien abtransportiert worden sein. Das FHP erwähnt, unter anderen, den Fall von 107 Männern, die am 26. März 1999 im Dorf Velika Krusa erschossen wurden und deren Leichen nie gefunden werden konnten. Alle diese Fälle habe das damalige Regime des als Kriegsverbrecher angeklagten Expräsidenten Slobodan Milošević zu Staatsgeheimnissen erklärt.

Nataša Kandić, die Vorsitzende des Helsinki-Menschenrechtskomitees in Serbien, sagte am Montag gegenüber AP: „Die Beseitigung von Beweisen in einem solchen Umfang kann sicherlich nicht ohne die Kenntnis der Behörden erfolgt sein. Wir haben viele Augenzeugenberichte, viele schreckliche Geschichten, aber die Befehle für diese Aktionen können nur von oben gekommen sein, beispielsweise von der serbischen Polizei.“

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