: Witze & Tabus
Das Motto für das Sonntagmittagspanel klang umfassend: „Wie sollen wir miteinander auskommen? Idee und Praxis der multikulturellen Gesellschaft“. Die Diskussion indes ging ins Detail. Das lag an der Ausgangsfrage, die taz-Moderatorin Edith Kresta stellte. Was darf Satire, wenn sie nicht an den Tabus der Mehrheit, sondern an denen einer Minderheit rührt? Hintergrund war ein Artikel auf der Wahrheitseite der taz, der wegen seiner blasphemischen Natur Proteste muslimischer Gruppen hervorrief. „Geschmacklos“ und „ekelerregend“ sei das gewesen, fand Barbara John (CDU), die Ausländerbeauftragte des Berliner Senats. „Rücksicht gegenüber mitgebrachten Traditionen“ sei nötig. Tatjana Lima-Curvello vom Verein binationaler Familien und Partnerschaften (IFA) sah das anders. „Jeder muss ertragen, dass er verarscht wird“, zumal in einer pluralistischen Gesellschaft. Der Kölner Publizist Mark Terkessidis widersprach: Nicht um individuelle Empfindlichkeiten, um ungleiche Voraussetzungen in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht gehe es. Hartmut Schönherr von der Europa-Universität in Frankfurt/Oder wies darauf hin, dass Tabus nicht unverrückbar seien und Kultur in sich selbst gespalten, in Ober- und Unterschicht zu Beispiel. Dass dies auch für Migranten gilt, zeigte der Einwand einer Frau aus dem Publikum: Die Rücksicht, die Frau John fordere, beziehe sich auf die Empfindlichkeiten von Männern; die Perspektive der feministischen Migrantin werde dabei ausgeklammert. Eine Auflösung der widerstreitenden Standpunkte zeichnete sich nicht ab. Mushin Omurca, der Kabarettist, der der Veranstaltung einen pointenreichen Rahmen verlieh, wusste: „Satire ist eine ernsthafte Sache“. Terkessidis indes bilanzierte ernüchtert: „Man nimmt die Herausforderung, die die Einwanderung an die Gesellschaft stellt, nicht an.“ Auf einen Witz konnte man sich dann doch noch einigen: Rechtschreibübung in der Grundschule. Der Lehrer ruft Paul auf. „Paul, schreib bitte Tisch“. Paul kommt an die Tafel und schreibt, ohne Fehler. Der Lehrer ruft Martina auf. „Martina, schreib Fisch“. Wieder gibt es kein Problem. Dann ruft der Lehrer Ali auf. „Und jetzt Du, Ali. Schreib doch bitte Chancengleichheit.“ CRISTINA NORD
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