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Hier und Jetzt

Es sollte kein erneuter Generationenkampf inszeniert werden. Das Podium „Generationenwechsel: Die Kinder der 68er“ kam unaufgeregter daher. Eine Suche nach Brüchen und Kontinuitäten in einer Zeit, da die Kinder der 68er längst erwachsen sind. Was sie vereint, ist vor allem ihre Differenz. Zwei Stunden lang stellten sie die Autonomie ihres individuellen Lebensentwurfs unter Beweis, um sich substanziellen Festschreibungen zu entziehen. Sie waren auch nicht bereit, sich auf ein abstrakteres Niveau gesamtgesellschaftlicher Idealismen zu begeben. Weniger utopische Zielvorstellungen als konkretes Leben im Hier und Jetzt.

Benjamin Karsunke, der nicht mit seinem Vater Yaak verwechselt werden möchte, betreibt einen Weinhandel mit Restaurant in München. Seine Unternehmung begreift er als Ort sowohl der Selbstverwirklichung als auch des Austauschs. Er nennt das „Politik der kleinen Schritte“; seine 68er-Mutter versteht ihn nicht. Gisa Funck, Autorin eines Brigitte-Textes zum Thema und ebenfalls im „Kinder“-Alter, plädierte für beiderseitige Feindbildaufweichungen. Weder sei 68 auf eine Frage schlechten Kleidungsstils herunterzudampfen, noch könne es sein, dass 68er mit dem ewigen Hinweis auf „Gartenzwerg hortende Naziväter“ ein moralisches Monopol beanspruchen. Die Monopolisierungsthese treibt auch Ulrike Meinhofs Tochter Bettina Röhl um. Ihre Abgrenzung von der Elterngeneration lief Publicity-trächtig über den Versuch, Joschka Fischer ans militante Bein zu pinkeln. Sie ist davon überzeugt, mit der Thematisierung der Gewalt an einer essenziellen Wahrheit über die 68er-Ziele gerührt zu haben, und sprach vom „Gegenwind“, der ihr entgegenbläst, „während die 68er sich selbst ständig therapieren“ dürften. Für Ted Gaier, Bassist der Goldenen Zitronen, ist das Röhl’sche Unternehmen die „Boris- und Babsisierung“ der 68er. „Mir ist scheißegal, ob Fischer ein gewalttätiger Charakter ist, es geht um politische Fragen.“ Er ist der in antiautoritären Erziehungsexperimenten gestählte, coole Verteidiger des Geistes der Revolte, polemisierte gegen den diffusen Gewaltbegriff Röhls und propagierte die Kontinuität des antikapitalistischen Widerstands, geerdet in aktuellen Antiglobalisierungsbewegungen. Christian Petzold wiederum, Regisseur des wohltuend moralisierungsfreien Films „Die innere Sicherheit“, erzählte auf dem Podium von einem anderen Film. Der müsste „Von Windeln verweht“ heißen, spielt im Dunstkreis Kreuzberger Kitas und handelt von linken Idealisten, die sich einigeln und vereinzeln, kaum dass sie Väter und Mütter geworden sind, von Utopien, die zusammenschrumpfen auf Volvos, Airbags und Jesuitenerziehungsprogrammen.

Die DiskutantInnen im Publikum, fast durchgehend bekennende 68er (die Jüngeren waren seltsam verschwiegen), waren nicht zufrieden. „Wo wollt ihr hin?“ „Was wollt ihr tun?“ Zielvorgaben und Handlungsvorstellungen also, das volle Programm, gegen das man sich zwei Stunden gewehrt hatte. Die Älteren hätten gern den „Staffelstab“ der eigenen Utopie weitergereicht und zielten damit ins Leere. Die Schwierigkeiten eines Dialogs, der offensichtlich nicht in der gleichen Sprache und den gleichen Begriffswelten geführt wird. EVA BERGER

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