: „Meine Skepsis wächst erneut“
Der Brandenburger PDS-Fraktionschef und ehemalige Bundesvorsitzende Lothar Bisky zu einer möglichen Neuauflage der Länderehe von Berlin-Brandenburg. Vor fünf Jahren war Bisky gegen die Fusion, auch heute will er sie nicht um jeden Preis
Interview RICHARD ROTHER
taz: Herr Bisky, vor fünf Jahren ist die Fusion zwischen Berlin und Brandenburg gescheitert, vor allem wegen der ablehnenden Haltung der PDS. Hat sich daran etwas geändert?
Lothar Bisky: Wir haben damals gesagt: Nichts gegen die Fusion, aber der vorliegende Staatsvertrag war für uns nicht akzeptabel. Nach reiflicher Überlegung haben wir beschlossen, uns mit der Zukunft der Region zu befassen: und zwar sehr konkret und sehr öffentlich. Dabei konzentrieren wir uns zunächst auf Berlin-ferne Regionen. Am 20. Mai beginnen wir mit einer öffentlichen Verantstaltung in Rathenow.
Die Fusion steht für Sie außer Frage?
So kann man das nicht sagen. Es darf natürlich keine beliebige Fusion sein. Schon aus meiner biografischen Erfahrung kann ich sagen, dass der Zweck nicht die Mittel heiligt. Ich will wissen: welche Fusion wollen wir mit welchen Mitteln erreichen. Dazu gehört erst einmal, Erfahrungen zu sammeln in der Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg; also quasi eine Fusion von unten, bei der niemand über den Tisch gezogen werden soll. Im Ergebnis unserer Debatten können wir uns für oder gegen eine Fusion entscheiden. Allerdings wächst meine Skepsis.
Wo sehen Sie inhaltliche Knackpunkte?
Es gibt finanzpolitische Fragen, das Thema Stadtstaatenprivileg ist noch längst nicht geregelt. Entscheidend ist auch, ob es durch eine mögliche Fusion mehr oder weniger Arbeitsplätze geben wird. Dann kommen schon Fragen in der Wissenschafts-, Bildungs- und Medienpolitik. Es gibt es genügend öffentlichen Diskussionsbedarf. Zum Beispiel wird man verstehen müssen, dass wir an dem, was in der sehr reformorientierten Bildungspolitik erreicht worden ist, festhalten werden. Es ist zwar wieder viel zurückgenommen worden, aber wir werden den Rest nicht einfach beerdigen. Da sind wir widerborstig.
Wann könnte es denn frühestens zu einer Fusion kommen?
Wir äußern uns nicht zu einem Termin; die Teminfrage ist öffentliches Theater. Klar ist, dass wir zunächst eine öffentliche Debatte führen müssen, und die ist seriöserweise nicht vor 2004 abgeschlossen. Wenn Ernst gemacht wird, ist die Terminfrage zweitrangig.
Eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte der Region ist der Großflughafen in Schönefeld, den lehnt die PDS ab . . .
Wir haben den Großflughafen in Schönefeld in seinen gigantischen Ausmaßen abgelehnt, dabei bleibt es.
Wäre die PDS bereit, im Falle einer Fusion auch Regierungsverantwortung in einem gemeinsamen Bundesland zu übernehmen?
Wir haben seit einigen Jahren die Beschlusslage, nach der wir tolerieren, regieren oder opponieren können. Das hängt von den inhaltlichen Punkten ab: Wenn wir in einer möglichen neuen Konstellation sozial- und arbeitsmarktpolitische Akzente setzen können, die der Bevölkerung der Region zugute kommen, können wir koalieren oder tolerieren. Aber ich sage auch ganz deutlich: Wir können auch selbstbewusst Opposition machen.
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