piwik no script img

Embryos sollen Ersatzteile liefern

Deutsche Forschungsgesellschaft ist für Experimente mit Stammzellen. Diese werden aus USA und Israel importiert. Forscher hoffen auf Heilungsmethoden für Krankheiten wie Alzheimer. Ministerin Bulmahn skeptisch. Kirche und CDU üben Kritik

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Die renommierte Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat sich für Experimente mit Stammzellen aus menschlichen Embryonen ausgesprochen. Damit revidiert die DFG ihre erst vor zwei Jahren gefasste Haltung: Die Wissenschaft habe jetzt einen Stand erreicht, der „sowohl potentielle Patienten als auch Wissenschaftler in Deutschland nicht mehr von diesen Entwicklungen ausschließen sollte“. So heißt es zur Begründung in den Donnerstagabend verabschiedeten „Empfehlungen der DFG zur Forschung mit menschlichen Stammzellen“.

Bislang werden menschliche Stammzellen in Israel und den USA aus Embryonen gewonnen und zum Verkauf angeboten. Dazu werden Embryonen verwandt, die von künstlichen Befruchtungen übrig geblieben sind. Jami Thomson, Chef des Marktführers Geron, einer Firma aus Wisconsin, macht allerdings strenge Auflagen: Wer bei ihr Stammzellen kauft, muss Lizenzgebühren für alle nutzbaren Ergebnisse der Forschung mit diesen Zellen an Geron zahlen.

Doch die Mediziner erhoffen sich große Heilerfolge durch solche Stammzellen: Mit ihnen könnten Therapien für Alzheimer und Parkinson gefunden sowie eines Tages Haut und Organe ersetzt werden. Die DFG baut deshalb bereits vor: Für den Fall, dass sich die impotierten Zelllinien als „nicht geeignet erweisen“ sollten oder die Forschung durch Lizenzauflagen „in nicht zu rechtfertigender Weise“ eingeschränkt werde, fordert die DFG Bundesregierung und Parlament auf, auch deutschen Forschern die Gewinnung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen zu ermöglichen.

Das liefe auf eine Aufweichung des Embryonenschutzgesetzes heraus. Diese Aufweichung dürfe sich allerdings nur auf „überzählige“ Embryonen aus künstlicher Befruchtung beziehen, sagte DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker. Er schlug vor, eine solche Änderung auf fünf Jahre zu begrenzen.

Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) reagierte gestern skeptisch auf die DFG-Empfehlung. Erst müsse sich der neue Nationale Ethikrat mit dem Thema befassen. In diesem ist Winnacker übrigens selbst vertreten. Bulmahn erklärte, es könne nicht sein, dass man „im Hauruck-Verfahren“ bestehende ethische Grenzen überschreite. Selbst die Forschung an embryonalen Stammzellen aus dem Ausland bleibe problematisch.

Die DFG macht keinen Hehl daraus, dass die deutschen Forscher gerne selbst embryonale Stammzellen herstellen würden: Wenn es um die Standardisierung und Etablierung von internationalen Zelllinien geht, wollen die Deutschen dabei sein: „Der bloße Import erscheint der DFG nicht ausreichend.“

In zwei anderen Punkten bleibt die DFG allerdings kategorisch: Sie schließt eine Herstellung von Embryonen „ausschließlich zu Forschungszwecken“ aus. Das Dolly-Verfahren und das therapeutische Klonen schließt die DFG somit als unethisch kategorisch aus.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist das zentrale Selbstverwaltungsorgan der deutschen Wissenschaftler. Ihre ethische Haltung gilt praktisch als maßgeblich für die deutschen Forscher.

Die CDU und die evangelische Kirche griffen die DFG gestern scharf an: Die Gewinnung embryonaler Stammzellen bedeute in jedem Fall die Tötung menschlichen Lebens, sagte der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe. Dies sei nicht weniger schwer wiegend, wenn es „legal“ im Ausland geschehe. Die DFG überschreite „eine wesentliche Grenze“, kritisierte auch Hermann Barth, Vizepräsident des Kirchenamtes der evangelischen Kirche. Die DFG sieht das anders: „Der Rubikom in dieser Frage wurde mit der Einführung der künstlichen Befruchtung überschritten“ sowie mit der Tolerierung des Schwangerschaftsabbruchs.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen