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Herzloses Kapital

Die Berliner CDU füchtet sich vor der Globalisierung

Die Globalisierung ist inzwischen derart global geworden, dass selbst die Landesparlamentarier der Berliner CDU nicht mehr an ihr vorbeikommen. „Jenseits der Krümel der Lokalpolitik“, formulierte der scheidende Fraktionschef Klaus Landowsky auf der Fraktionsklausur im bayerischen Kloster Banz, wolle man auch die großen Themen nicht aus den Augen verlieren. Das tat Landowsky dann auch nicht. „Was hält die Menschen in einem Land eigentlich zusammen?“, fragte er seine Kollegen. Ein Problem, das sich in einer „Stadt der Individualisten wie Berlin“, wie Gastredner Pater Augustinus Heinrich Graf Henckel von Donnersmarck bedauerte, erst recht stellt. Materialismus, Hedonismus und Egoismus führten, so Landowsky, zu einem Wertedefizit, das eine Lücke für fundamentalistische Moralisten darstelle. Vor allem aber bereitet der CDU die „Herzlosigkeit der Kapitalmärkte“ (Landowsky) schlaflose Nächte. Denn: „Haben nicht Wirtschaftsmagnaten die Herrschaftsverantwortung übernommen?“ Da helfe, so Exbankchef Landowsky, kein sozialistischer Idealismus, sondern vor allem „christliche Nächstenliebe“.

Auch sein möglicher Nachfolger als Fraktionschef, der Unternehmer Frank Steffel, befürchtet den Zerfall der Gesellschaft in reich/arm, krank/gesund usw. Der Einfluss der nationalen Politik gehe zurück, er werde durch die „Macht des Kapitals“ ersetzt. Setze sich nicht eine Überbewertung des Kapitals durch, bei der der einzelne Mensch unter die Räder komme? Gebe es nicht eine Besorgnis erregende Vermögenskonzentration? Wachse nicht die Angst der Menschen vor den skrupellosen Konzernen, die Angst davor, ab dem 45. Lebensjahr nicht mehr gebraucht zu werden?, fragte Steffel den externen Sachverstand in Gestalt des Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG, Heinrich von Pierer. Dieser aber, offenbar verblüfft ob solch unerwartet quasi-bolschewistischer Verdächtigungen, beschied knapp, er sehe solcherlei Probleme nicht: „Es werden eben keine gebratenen Tauben serviert.“ Die Befürchtungen Steffels klängen „fast etwas klassenkämpferisch“. Dennoch erhielt auch Pierer einen Porzellanteller mit Brandenburger Tor als Dankeschön. Die CDU ist schließlich eine „liberale Großstadtpartei“ (Landowsky). SAND

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