piwik no script img

Bauernrechte kontra Damm

Ein riesiges Talsperrenprojekt im indischen Himalaya mit deutscher Firmenbeteiligung stellt die neuen Exportrichtlinien der Bundesregierung zum ersten Mal auf die Probe

BERLIN taz ■ Die Staumauer soll 260 Meter hoch werden – etwa zwei Drittel der Höhe des Fernsehturms am Berliner Alexanderplatz. 100.000 Bauern müssten ihr Land verlassen, sollte das Tal hinter dem Damm mit Wasser volllaufen. Der fünfthöchste Staudamm der Welt, dessen Baustelle am Rande des Himalaya in Indien liegt, stellt die Glaubwürdigkeit der deutschen Entwicklungspolitik auf die Probe.

Die Firma Voith Siemens will am Tehri-Damm Schaltanlagen für die Verteilung des produzierten Stroms bauen und hat deshalb eine staatliche Hermes-Ausfallbürgschaft in der Größenordnung von 70 Millionen Mark bei der Bundesregierung beantragt. Die ist jetzt in der Zwickmühle: Soll man die Exporttätigkeit eines deutschen Unternehmens unterstützen oder das Projekt wegen seiner verheerenden Auswirkungen fallen lassen?

Der Tehri-Damm 350 Kilometer nördöstlich von Delhi ist das erste Vorhaben, das die rot-grüne Regierung beschäftigt, nachdem sie sich am 26. April neue Richtlinien für Hermesbürgschaften gegeben hat.

Laut Information des Umweltverbands Urgewalt kommt es schon am 17. Mai zum Testfall. Dann nämlich diskutiere der Interministerielle Ausschuss (IMA) über den Tehri-Damm. Im IMA sind die Ministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Äußeres, Wirtschaft und Finanzen vertreten. Aus dem Wirtschaftsministerium von Werner Müller (parteilos) heißt es demgegenüber, es sei noch nicht klar, ob das Thema in zehn Tagen bereits auf der Tagesordnung stehe – innerhalb der Verwaltungen gebe es noch Klärungsbedarf.

Heffa Schuecking von Urgewalt fordert die Ministerialen auf, die Bürgschaft nicht zu genehmigen. Sie verweist auf die so genannte Weltstaudamm-Kommission, deren Einschätzung laut den neuen Hermes-Richtlinien berücksichtigt werden soll. Diese hat ihre Einschätzung mit finanzieller Unterstützung der entwicklungspolitischen Bundesministerin Heide Wieczorek-Zeul (SPD) erarbeitet.

Das internationale Gremium hält Staudammprojekte für untragbar, wenn sie zum Beispiel die Menschenrechte der Einwohner verletzen. Und dies könnte beim Tehri-Damm gleich in mehrfacher Hinsicht zutreffen. Zum einen beschweren sich die Bauern der umliegenden Täler, dass ihnen die indische Regierung bislang kein Land zur Übersiedlung angeboten habe. Zum andern würde der Damm unweit der geologischen Grenze zwischen Asien und dem indischen Subkontinent errichtet. Dort kommt es immer wieder zu starken Erdbeben. Wenn der Damm durch Erdstöße beschädigt würde, könnte es zu einer Überflutung großer Gebiete kommen.

Informationen indischer Umweltorganisationen zufolge besetzten Ende März mehrere tausend Bauern den Bauplatz, woraufhin die Arbeiten für drei Wochen unterbrochen werden mussten. Schließlich räumte die Polizei die Blockade ab und verhaftete unter anderem den 75-jährigen Anführer der Protestbewegung, Sunderlal Bahuguna. Der ehemalige Mitstreiter Mahatma Gandhis hat daraufhin einen unbefristeten Hungerstreik begonnen. HANNES KOCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen