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Wie Kurfürst Friedrich zum Ruhm kam

Auf Blut und Gold gegründet: Die am Wochenende eröffnete Ausstellung „Preußen 1701. Eine europäische Geschichte“ im Schloss Charlottenburg schildert Voraussetzung, Bedeutung und Folgen der Krönung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. zum ersten preußischen König

von PHILIPP GESSLER

Dies ist die Geschichte eines Aufstiegs. Deshalb muss sie ganz unten und ärmlich beginnen, um hoch oben und prächtig enden zu können. Insofern passt es gut, dass sich die Besucher der Ausstellung „Preußen 1701. Eine europäische Geschichte“ im Berliner Schloss Charlottenburg zunächst mit Kargheit anfreunden müssen: Erst nach dem Durchschreiten eines zugigen Barackengebäudes kommt man in die Ausstellung in einem Seitenflügel des Barockschlosses. Der Glanz der Kapelle, in die man tritt, erzählt fast schon die ganze Geschichte.

Denn im Kern geht es in dieser ersten großen Ausstellung des „Preußenjahres“ in der Hauptstadt, eröffnet am Wochenende, nur um eine Person und ein Jahr: Das Jahr 1701, als der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. (1688–1713) sich selbst in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, zum „König in Preußen“ krönte und den Namen Friedrich I. annahm. Damit entstand das Königreich Preußen. Die Ausstellung zeigt die Voraussetzung für die Krönung, beschreibt ihre Bedeutung und schildert die Folgen dieser Standeserhebung – und lässt dabei die ganze Pracht barocken Herrschertums erahnen.

Warum war dieser Staatsakt am Rande Europas so wichtig? Weil sich die europäischen Mächte im Zeitalter des Absolutismus in einem permanenten Kampf um mehr Glanz und Glorie befanden. Moderne Staaten begannen sich herauszubilden, alle Herrscher des Kontinents strebten danach, im Wettlauf um Souveränität und Vorherrschaft nicht den Anschluss zu verlieren. Die Hohenzollern besaßen in diesem Spiel schlechte Karten: Der Herrschaftsraum Friedrichs war ein Sammelsurium verstreuter Territorien. Als einer von damals neun deutschen Kurfürsten wurde er von den Königen Europas nicht als gleichberechtigt anerkannt.

In einer Zeit, in der Macht nicht zuletzt durch Titel, Symbole und Gesten gewonnen oder gefestigt werden konnte, war deshalb die Standeserhebung Friedrichs eine entscheidende machtpolitische Großtat: Friedrich August I. („der Starke“) von Sachsen gelang der Sprung durch die Krönung zum König von Polen, dem Kurfürsten von Hannover durch den Erwerb der englischen Krone – alle anderen Aspiranten, etwa der bayerische Kurfürst, scheiterten. Die prachtvolle Kapelle am Anfang der Ausstellung symbolisiert dagegen den geglückten Aufstieg des Hohenzollern perfekt: Im Jahr 1704 eröffnet, ist sie über und über mit Gold bedeckt, Putten räkeln sich auf Wolken und vom Himmel herunter schwebt ein schwarzer preußischer Adler, der eine überdimensionierte Königskrone hinabzuspringen scheint – eine Symbolik, die für sich sprach.

Die Kapelle zeigt aber auch, wie flexibel Friedrich im Gebrauch der Mittel war, um das Ziel der Königserhebung zu erreichen. Denn die war nur zu erlangen, wenn der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, der Habsburger in Wien, sein Einverständnis dazu gab. Kaiser Leopold aber war katholisch, und so spricht es für die religiöse Flexibilität und den Machtsinn Friedrichs, dass der calvinistische Preußenherrscher in der Kapelle eine Darstellung der Aufnahme Mariens in den Himmel anbringen ließ: ein typisch katholisches Symbol an einem protestantischen Hof – kein Problem für Friedrich.

Der purpurne Samthut und das Schwert des Kurfürsten, das glitzernde Zepter und die Krone des Königs, die prächtigen Staatsgemälde des Herrschers in immer wieder neuen Posen als König in Preußen – die Ausstellung vermittelt etwas von dem langen Kampf, den Friedrich durchzustehen hatte, bis ihm diese „Lebensleistung“ gelang, wie eine Schautafel sie nennt. Die Ausstellungsmacher verschweigen dabei nicht, was der Preis dieses Aufstiegs war: geschickte Bündnispolitik, übermäßig teure Staatsgeschenke an die anderen Herrscher Europas und horrende Staatsausgaben, für die das Volk schuften musste. Der Aufstieg Friedrichs aber gelang vor allem deshalb, weil er keinerlei Skrupel kannte, seine Soldaten gegen Geld für entfernte Kriege auszuleihen: So war auch seine Herrschaft auf Blut gebaut. Erst als Friedrich dem Kaiser im Spanischen Erbfolgekrieg brandenburgische Truppen andiente, gab der sein Plazet zur Standeserhebung.

Kam Friedrichs Macht also nur aus dem Lauf der Musketen? Die Ausstellung zeigt auch die andere Seite des Kurfürsten und Königs: Dazu gehört die Aufnahme von Hugenotten, also den Calvinisten, die aus Frankreich vertrieben wurden. Die zivile Seite Friedrichs illustrieren auch Exponate zu den königlichen Sammlungen, die er ausbaute, zur Gründung der Akademie der Künste, der Universität Halle und der „Societät der Wissenschaften“, bei der der Universalgelehrte Georg Wilhelm Leibniz eine entscheidende Rolle spielte.

Auch wegen dieser zukunftsweisenden Politik Friedrichs herrschte im Volk Trauer, als der König nach 25 Jahren auf dem Thron 1713 mit 55 Jahren starb – der letzte Raum der Ausstellung ist dem Tod des Herrschers gewidmet. Und selbst in den ausgedehnten Trauerfeierlichkeiten wird das Herrschaftsprinzip des ersten preußischen Königs noch einmal sichtbar: ein Aufstieg durch Glanz und Gloria.

„Preußen 1701. Eine europäische Geschichte“. Große Orangerie am Schloss Charlottenburg. Noch bis zum 5. August. Di.–So. von 10 bis 22 Uhr, Do. bis 22 Uhr. Eintritt: 12 Mark (erm. 8 Mark).

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