Hongkong wahrt Jiang Zemins Gesicht

Chinas Präsident wird in Hongkong beim Besuch einer Wirtschaftskonferenz Demonstranten weder sehen noch hören. Mit Verweis auf Gewalt bei Protesten gegen die Globalisierung anderswo werden Falun-Gong-Anhänger abgedrängt

HONGKONG taz ■ Wenn Chinas Staats- und Parteichef Jiang Zemin am Dienstag abend in Hongkong die Wirtschaftskonferenz „Fortune Global Forum“ eröffnet, wird ihm der Anblick von friedlich demonstrierenden Anhängern der Falun-Gong-Sekte erspart bleiben. Denn Hongkongs Polizei hat der buddhistisch-taoistischen Sekte, die in der autonomen Sonderverwaltungsregion im Unterschied zum Rest der Volksrepublik nicht verboten ist, den Protest direkt beim Kongresszentrum untersagt.

Die bis zu eintausend erwarteten Demonstranten von Falun Gong sowie von anderen Gruppen dürfen nur in mindestens 300 Meter Abstand und durch Häuserblocks getrennt in einer kleinen „Protestzone“ gegen die Konferenz oder ihre prominenten Besucher demonstrieren. Dort sind pro Organisation nur 20 Demonstranten zugelassen, alle anderen müssen sich in noch größerer Entfernung aufhalten. 3.000 Polizisten sollen die strengen Auflagen durchsetzen. Sie werden mit den zum Teil gewalttätigen Großdemonstrationen von Globalisierungsgegnern in Seattle, Melbourne, Prag und Quebec begründet.

Polizeichef Tsang Yam-pui meint, es gebe „ein hohes Sicherheitsrisiko“. Er muss allerdings einräumen, dass ihm keinerlei Erkenntnisse vorliegen, dass auswärtige Globalisierungsgegner zu der vom US-Businessmagazin Fortune veranstalteten dreitägigen Konferenz für Konzernchefs anreisen.

In Hongkong sind Demonstrationen traditionell friedlich. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurde in den letzten zwei Tagen bereits mehreren Falun-Gong-Aktivisten am Flughafen die Einreise verweigert. Regierungssprecher wollten dies nicht näher kommentieren.

Abschlussredner der Konferenz, deren 700 Teilnehmer je 5.000 US-Dollar Eintritt zahlen müssen, ist der ehemalige US-Präsident Bill Clinton. Sein Aufenthalt in Hongkong überschneidet sich mit dem Jiangs um wenige Stunden. Ein Treffen ist jedoch nicht geplant.

Hongkongs Behörden wollen mit den Auflagen für die Proteste zum einen formal das Demonstrationsrecht wahren, zum anderen Jiang nicht in Verlegenheit bringen. Auch haben sie einflussreiche Anhänger Pekings zu berücksichtigen, die Falun Gong auch in Hongkong am liebsten verbieten wollen. Die Verbotsforderung wurde nach einem Propagandacoup der Sekte im Februar laut. Damals hatte Falun Gong im Hongkonger Rathaus, das von jeder in der Stadt registrierten Organisation gemietet werden kann, eine internationale Konferenz gegen die Unterdrückung der Sekte in China veranstaltet. Das erweckte den fälschlichen Einruck, die Stadt stehe hinter Falun Gong. Hongkongs Regierungschef Tung Che-hwa und Innenministerin Regina Ip verkündeten daraufhin, die Aktivitäten der auf 500 bis 800 geschätzten Sektenanhänger in der Stadt beobachten zu lassen. Tung deutete an, seine Regierung erwäge ein Antikultgesetz.

„Falun Gong ist zum Test geworden, wieweit die Formel ‚Ein Land – zwei Systeme‘ wirklich in Hongkong funktioniert“, sagt Emily Lau, Abgeordnete der Demokratiebewegung im Parlament. „Ironischerweise zeigt Falun Gong auch die Schwäche der Demokratiebewegung. Denn würden wir so gefürchtet wie Falun Gong, wären auch wir längst bedroht.“ SVEN HANSEN