Firmenrecht auf Notwehr

Bundesregierung will Aktiengesellschaften neuerdings ermöglichen, sich effektiv gegen feindliche Übernahmeversuche zu wehren. Dissens mit EU-Kommission

BRÜSSEL taz ■ Wenn die ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten heute in Brüssel erneut die „Übernahmerichtlinie“ beraten, muss der deutsche Botschafter Wilhelm Schönfelder seinen Kollegen die 180-Grad-Wendung seiner Regierung plausibel machen. Fünf Jahre lang unterstützte Deutschland den Kommissionsvorschlag, mit dem so genannte feindliche Übernahmen von Aktiengesellschaften erleichtert werden sollen. Nun aber will die Bundesregierung voraussichtlich schon Ende Mai einen Gesetzentwurf vorlegen, der einen Katalog zulässiger Abwehrmaßnahmen enthält.

Mit den Brüsseler Plänen ist das unvereinbar. Der Brüsseler Richtlinienentwurf soll Übernahmen in der EU erleichtern und damit eine wichtige Voraussetzung für den Umbau der europäischen Wirtschaft schaffen.

Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein glaubt, dass europäische Unternehmen sich nur dann international behaupten werden, wenn die Manager ihre Konzerne ohne Rücksicht auf nationale Grenzen zusammenbauen dürfen. Rat und Kommission hatten sich im letzten Jahr geeinigt, dass Gesellschaften, die geschluckt werden sollen, nur einen Ersatzkäufer suchen dürfen. Eine Kapitalerhöhung, die die Übernahme erschweren würde, dürfte während der Angebotsfrist nur die Hauptversammlung beschließen. Andere Abwehrmaßnahmen wären überhaupt nicht zulässig.

Das nun in Deutschland geplante Gesetz sieht vor, dass Manager, die eine Übernahme verhindern wollen, auch ohne Zustimmung der Aktionäre eine Kapitalerhöhung beschließen können. Die Hauptversammlung muss zuvor der Unternehmensführung die Vollmacht dazu für den Fall erteilt haben, dass eine Übernahme droht. Damit, so kritisiert die Kommission, werde der Sinn der Richtlinie in sein Gegenteil verkehrt. Übernahmen würden nicht leichter, sondern schwerer als heute.

Unklar ist, wie die Bundesregierung ihre neue Position in Brüssel durchsetzen will. Die Richtlinie kann im Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, ein Veto Deutschlands würde also nichts ändern, falls alle anderen Staaten an ihrer bisherigen Position festhalten. Allerdings weiß Deutschland das EU-Parlament an seiner Seite.

Im Dezember sprach sich das Plenum dafür aus, dass Manager von Aktiengesellschaften sich mit allen Mitteln gegen Übernahmen wehren dürfen. Damit geht das Parlament noch über die neue deutsche Position hinaus. Der zuständige Berichterstatter, der deutsche CDU-Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne, stimmte seine Kollegen auf diese Linie ein, indem er an die Erfahrungen erinnerte, die Mannesmann bei der Übernahme durch Vodafone gemacht hatte.

Bis zum 5. Juni müssen Rat und Parlament einen Kompromissentwurf ausarbeiten. Er könnte irgendwo zwischen dem Wagenburg-Ansatz Lehnes und dem darwinistischen Prinzip der Kommission liegen. Am Ende könnte ein Entwurf herauskommen, der sich mit dem deutschen Gesetz gut verträgt.

DANIELA WEINGÄRTNER