Schrank der Schande

■ Fragestunde in der Bürgerschaft: Nachhaken bei alten und neuen Nazis

Dass ein mutmaßlicher SS-Verbrecher seit Jahrzehnten in Lokstedt seinen Ruhestand genießt, daran will die Hamburger Justiz nicht schuld sein. „Diese unendliche Verzögerung bei den Ermittlungen lag nicht an uns“, wies Jus-tizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) in der gestrigen Fragestunde der Bürgerschaft jede Verantwortung hamburgischer Staatsanwälte am Fall des Genueser SS-Chefs Friedrich Engel zurück. SkeptikerInnen bei GAL und Regenbogen konnte sie nicht überzeugen, warum der heute 92-Jährige bisher nicht zur Rechenschaft gezogen worden ist.

Seit 1969 weiß die Hamburger Justiz von der Vorwürfen gegen ihn. Dass bis 1997 sämtliche Ermittlungen ruhten, schiebt die Senatorin den italienischen Behörden zu, die hunderte von NS-Akten im „Schrank der Schande“ verschwinden ließen. Peschel-Gutzeit berichtete von Rechtshilfeersuchen, Vorermittlung und Anfragen zwischen Italien und Hamburg, die ohne Ergebnis blieben – bis das Fernsehmagazin Panorama im März den Fall publik machte. „Warum hat man keinen Staatsanwalt nach Italien geschickt?“, fragte sich Peter Zamory (GAL), und Fraktionskollegin Bettina Kähler konnte nicht verstehen, warum man nicht wenigstens 1997 reagiert habe. Die Giftschränke in Italien waren derweil geöffnet und dort begann das Verfahren gegen Engel, in dem er 1999 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Ermittelt wird jetzt auch in Hamburg, die übersetzten Unterlagen aus Italien sind da.

Beim zweiten Thema der Fragestunde ging es um die neuen Rechten. Über die so genannten Intellektuellen des Rechtsextremismus in Hamburg hatte Julia Koppke (Regenbogen) Auskunft ersucht. Sie wollte vor allem wissen, warum sie im neuen Verfassungsschutzbericht keine Erwähnung mehr finden, obwohl es sie nach wie vor gibt. Koppke zählte die Deutsch-Europäische Studiengesellschaft, den Lesekreis Junge Freiheit und die Burschenschaft Germania auf. Finanzstaatsrat Dirk Reimers, der seine Kollegen aus der Innenbehörde vertreten musste, war überfordert: „Nicht alles, was vom Verfassungsschutz beachtet wird, findet in dem Bericht auch Erwähnung.“ Der Schwerpunkt habe auf „aktionistischen rechtsextremen Gewalttätern“ gelegen. Peter Ahrens