: Kistenschleppen, Schwitzen, wenig Geld – alles im Rahmen?
■ Mitarbeitervertretung von Friedehorst schlägt Alarm: Geschäftsleitung ignoriere Arbeitnehmerrechte
In Friedehorst gärt es. Gestern wandte sich die verdi-Betriebsgruppe der zur evangelischen Kirche gehörenden Reha- und Pflegeeinrichtung in Bremen-Lesum an die Öffentlichkeit. Ihr Vorwurf: Das Mitarbeitervertretungsgesetz – das kirchliche Pendant zum staatlichen Betriebsverfassungsgesetz – werde von der Geschäftsleitung ignoriert. Die Mitarbeitervertretung (MAV) werde dauernd übergangen, berichteten Renate Richter und Ulrike Dietsch, verdi-Vertrauensfrauen in Friedehorst. So werde man in Sachen EDV- und Telefonanlage uninformiert gelassen, ebenso bei Neueinstellungen, und auch der Arbeitsschutz werde nicht ernst genug genommen. Das Küchenpersonal der Reha-Einrichtung habe ein Jahr lang wöchentlich rund 40 Getränkekisten ins Lager schleppen müssen, obwohl das Sache des Lieferdienstes sei. Räume des Behindertenwohnheims im Dachgeschoss seien im Sommer unerträglich heiß; Wärmedämmung werde verweigert. Kameras an den Eingängen der Anlage seien ohne MAV–Unterrichtung angebracht worden. Neu eingestellte Frauen im Küchen- und Hauswirtschaftsbereich bekämen bis zu 600 Mark weniger als ihre Kolleginnen. Und die bisher lax gehandhabte Voraussetzung der Konfessionszugehörigkeit werde wieder rigide gehandhabt: Befristet Angestellte müss-ten sich taufen lassen, wollten sie unbefristet arbeiten – darunter auch eine Muslimin.
Geschäftsführer Nikolaus Jürgens weist die Vorwürfe zurück. Zwar habe die MAV 34 Beschwerdefälle aufgelistet, de facto gebe es aber jährlich 2.000 Vorgänge, bei denen sie beteiligt werde. „Zu 99 Prozent funktioniert also die Mitbestimmung.“ Die EDV-Anlage werde gerade neu installiert, darüber sei die MAV informiert. Die Sache mit den Getränkekästen sei geklärt, überdies sei die vorherige Situation vorschrifts-konfrom gewesen. Die Sache mit den Tarifen sei bundesweit inzwischen geklärt und abgesegnet. Schließlich: Wer in Friedehorst arbeitet, soll einer christlichen Konfession angehören – das sei immer klar gewesen.
Jetztfordert die MAV nun weltliches Recht in Form des Betriebsverfassungsgesetzes, was den Gang zum Arbeitsgericht erlauben würde. Denn bisher bleibt im Konflikt nur eine innerkirchliche Schiedsstelle. Die Crux: Was auch immer die Schiedsstelle entscheidet – ihr Urteil gilt für den Arbeitgeber allenfalls als Empfehlung ohne jede Verbindlichkeit. Und mehr als den Spruch der Schiedstelle wird es auch im aktuellen Fall nicht geben. Renate Richter: „Da hilft nur eine Menge Aufsehen, um Druck zu erzeugen.“ sgi
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